Full text: Abhandlungen civilistischen und criminalistischen Inhalts (Bd. 2 (1837))

200 lieber den Geist des deutschen CnminalprozesseS rc.
anzufehen, für ein Gesetzbuch im modernen Sinne hielt, in
welchem die Wissenschaft mit den Interessen der politischen
Gewalt vermählt werden soll. Die Theorie der Deutschen
wird nur gar zu leicht zu theoretisch und pedantisch, unsere
Gesetzbücher sind gar zu gewöhnlich Lehrbücher, der Jurist
darin ist auch nicht bloö Jurist, sondern trägt gerne Alles
zur Schau, was er ex humanoribus, aus der Logik, Ma-
thematik, Naturkunden, f.w. gelernt hat, und Andere glau-
ben, daß, weil etwas in einem Gcseybuche oder juristischen
Lehrbuche stehe, dies juristisch sey, oder gar juristischen
Kräften unterworfen werden könne. Die Römer hielten zwar
die Rechtswissenschaft für eine notitia rerum divinarum
ac humanarum, allein sie hüteten sich sehr, das positive
Gesetz und dessen Kunde mit der Rechtswissenschaft zu ver-
wechseln. Und so sind Wirdes Dafürhaltens, daß gesetzliche
Vorschriften zum Zwecke eines Jndicienbeweises nicht sowohl
unzweckmäßig, als vielmehr etwas Unmögliches und Unan-
wendbares sind.
8- sr.
Noch sey «ns erlaubt, besonders zu zeigen, daß der so-
genannte Jndicienbeweis das Gefährlichste und Schlimmste
in den Händen stehender rechtsgelehrter Richter-Collegien ist.
Abgesehen davon, daß sie nicht immer wie die Geschwornen
geneigter sind, loszusprechen, als zu verurtheilen, abgesehen
davon, daß der an Läugnen und Verstellung des Angeschul-
digten gewöhnte juristische Geschäftsmann erhärtet wird in
der Vermuthung der Schuld: so ist am wichtigsten, daß die
stehenden Gerichtshöfe immer bestrebt sind, auf vorgekom-
mene Fälle zurückzublicken (precedens) und daran sich zu
halten. So ist es aber gar leicht möglich, daß eine Ver-
urtheilung der Anhaltpunkt für zehn andere wird, und so
wenig gerade hier eine wahre Gleichheit der Fälle möglich ist,
indem in Hinsicht auf den Jndicienbeweis kaum ein Fall mit
dem andern übereinftimmi, so sehr verführt eine täuschende
Aehnlichkeit. Das Gericht einmal gewohnt an den Beweis
aus Vermuthungen wird immer kühner in der Macht und Ge-
wohnheit zu schließen, und unter dem Scheine angenomme-
ner Grundsätze und des Herkommens immer willkührlicher.
Der einzelne Gerichtömann wird wohl durch die Feinheit

Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.

powered by Goobi viewer