Full text: Abhandlungen civilistischen und criminalistischen Inhalts (Bd. 6 (1848))

Beilage!. Der justinianische Prozeß. ZW
unserem Prozesse über das thema probandi, über die Be-
weislast , über Beweismittel und äußeren Grund zum Beweis-
mittel als juristische Begriffe Vorkommen, erscheinen auch im
justinianischen Rechte noch nicht als juristisch, sondern nur als
factische Unterscheidungen, auf welche ein Richter in der logi-
schen Gestaltung des Beweises kommen konnte. Nur das kann
man zugeben, daß die Begriffe Veweislast und Beweisgegen-
stand (tboma) nothwendige Beziehungen zur Ausmittelung ei-
nes streitigen Rechts sind, und daß daher auch die römischen
Juristen deßhalb die nöthigsten Betrachtungen anstellten, indem
dieselben auch nicht gesetzlich firirt werden können, sondern
die nothwendigen Thatsachen für das von jemanden behaup-
tete Recht sind. Den großen Scharfsinn Puchta's, der beson-
ders aus seinen Vorlesungen über Pandecten Hervorleuchtei, sieht
man auch hier S. 202. ff., obgleich der berühmte Mann sich noch
nicht vollendet genug ausdrückte, denn er übergeht gewissermaßen
die Beweismittel und Beweisgründe. Allein er hätte sagen sol-
len — davon wußte das römische Recht nichts. Wenn man
daher in unseren Pandectenlehrbüchern von dem Beweise
spricht, ffollte man an die Spitze dieser Betrachtung eine gute
Geschichte unserer Beweislehre stellen, an welcher es überall
fehlt. Man thut, als wenn die Römer die jetzt geltende Be-
weislehre schon gekannt hätten, und ist sogar so kühn, nicht
einmal eine einzige Stelle des mittelalterischen Rechts aufzu-
führen, zumal ein großer Thcil unserer deutschen Pandectisten
die Bedeutung des canonischen Rechts in dieser Beziehung nicht
einsieht. Was will es heißen, wenn auch nur Grundrißver-
fertiger unter den Prozeß-Quellen allein das römische Recht
und unter den Hilfsmitteln die Schriften der letzten zwanzig
Jahre aufführen, und wenn endlich die Entwickelung der Lehre
selbst eine populär naturrechtliche Darstellung mit ein paar
nicht hieher passenden Stellen des Corpus juris civilis enthält.
Wenn in Deutschland sogar Gelehrte diese Mißgeburt der
praktischen Prozeß-Wissenschaft nicht kennen, wie sollen Stu-
dierende darauf geleitet werden? Mit Recht führt uns aber
hier die Hand Justini ans in seinen Institutionen zu der rö-
mischen Beweislehre, denn er zeigt uns an, daß die Beweis-
lehre auch zu seiner Zeit keine andere juristische Bedeutung
hatte, wie unter Gajus. Der magistratus war in dieser Hin-

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