Full text: Staatswissenschaftliche und juristische Litteratur (Jg. 2, Bd. 2 (1795))

104 
1) Die Entwickelung der Staatsverträge in der angezeig¬ 
ten Schrift ist, man mag über ihre Resultate urtheilen wie 
man will, scharfsinnig und voll neuer Ansichten und einzelner 
vortrefflichen Gedanken. 
2) Die Lehre von den Staatsverträgen, welches das 
ganze Staatsrecht gründet, scheint Rez. noch immer zu 
theoretisch behandelt zu werden. Viele Schriftsteller füh¬ 
len es selbst, daß ihre hieher gehörigen Sätze ein theoretisches 
Ansehen haben, wie man aus ihren ausdrücklichen Protesta¬ 
tionen, daß sie z. B. nicht behaupten wollten die empirischen 
Staaten wären wirklich auf förmliche Verträge gegründet oder 
könnten nicht anders gegründet werden u. s. w. sieht. 
Es 
kann däher nicht genug eingeschärft werden, daß die Verträge, 
auf welche das allgemeine Staatsrecht den Staat gründet, 
bloß praktische Ideen sind, bloß praktische Reali¬ 
tät häben und eben deswegen auch auf alle wirklichen Staaten 
auf Erden, sie mögen entstanden seyn, wie sie wollen, 
anwendbar sind. Der Satz, daß jeder Staat sich auf einen 
Vereinigungs= Vertrag gründen solle, ist gleich dem 
Satze: Kein Mensch darf wider seinen Willen zur Theilnahme 
an irgend einen empirischen Staatsbund oder zur Bürgerschaft 
gendthiget werden; jeder wirklich schon bestehende Staat soll also 
dahin streben, aus seiner Constitution alles das zu entfernen, 
was den Rechten freyer Menschen widerspricht, mithin auf ih¬ 
ren Cönsens nicht rechnen kann, sondern sie vielmehr mit 
dem Staate entzweyen muß. Kurz: der Satz des Verei¬ 
nigungsvertrages druckt nichts anders aus, als die prak¬ 
tische Idee der politischen Freyheit. 
Der Sinn des Satzes vom Unterwerfungsvertra¬ 
ge ist der folgende: Kein Unterthan darf von der Staatsre¬ 
gierung anders, als gemäß dem allgemeinen Willen 
behandelt werden, denn nur diesem ist der freye Bürger, als 
seinem Souverain, von Rechtswegen unterworfen. Jeder 
empirische Staat soll also dahin streben, alle Willkühr aus sei= 
ner Regierung zu verbannen, weil die willkührliche Regie¬ 
rung nicht der allgemeine Wille oder das Recht, mithin nicht 
das ist, welchen der freye Bürger sich willig unterwerfen soll. 
Der 
— 
— 
Max-Planck-Institut für 
UNIVERSITAT 
europäische Rechtsgeschichte 
TÜBINGEN
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.

powered by Goobi viewer