Full text: Staatswissenschaftliche und juristische Litteratur (Jg. 2, Bd. 2 (1795))

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stand eine bedeutende Rolle spielt). Dann wird folgender Be¬ 
griff der bürgerlichen Gesellschaft und des Staates festgesetzt: 
die bürgerliche Gesellschft ist eine Verbindung von Menschen, 
in welcher jeder Einzelne durch das Ganze und das Ganze durch 
jeden Einzelnen nach dem vollen Umfange seiner Rechte gesi¬ 
chert werden soll — diese Gesellschaft muß ihrem Wesen nach 
unausbleiblich in den Staat übergehen. Staat ist aber 
nichts anders, als diejenige Organisation der bürgerlichen Ge¬ 
sellschaft, ohne welche sie ihren Zweck nicht erreichen kann, 
also diejenige Form, vermittelst welcher es möglich ist, daß 
jeder durch das Ganze und das Ganze durch jeden vor Unrecht 
gesichert werde. — Endlich leitet der Hr. Verf. aus der Un¬ 
möglichkeit, die Rechte des Menschen in dem (uncivilisirten) 
Naturstande zu sichern, die Nothwendigkeit des Staats ab. 
Rez. gesteht, daß er weder durch die Gründe des Herrn 
Verf. für die Nothwendigkeit einer Metapolitik zur Grundle¬ 
gung des Staatsrechts noch durch den Inhalt der vorliegen¬ 
den überzeugt worden sey, daß die Wissenschaft derselben be¬ 
dürfe. Auch hat er nicht gefunden, daß das, was eigentlich 
in diesen Prolegomenen metapolitisch ist, den Begriff des Staa¬ 
tes bestimmt habe, noch daß daraus die unbedingte Nothwen¬ 
digkeit eines Staates erhelle. Denn, was kann der Metapo¬ 
litiker wohl antworten, wenn ihm erwiedert wird: Mögen die 
Gefahren des Naturstandes auch noch so groß seyn, ich will 
sie lieber, als einen Staat? Er muß entweder schweigen oder 
seine metapolitischen Speculationen unterbrechen und die un¬ 
bedingte Nothwendigkeit des Staates aus praktischen Gesetzen 
deduciren. Daß das Staatsrecht einer Grundlegung bedürfe, 
wird niemand läugnen: aber, daß durch Metapolitik demsel¬ 
ben der Grund gelegt werde, bezweifelt Rez. aus guten Grün¬ 
den. Die Grundlage des Staatsrechts besteht in den Wahr¬ 
heiten, welche den wahren, einzig gültigen Begriff des Staats 
geben und die unbedingte Nothwendigkeit (praktische Realität) 
desselben gewiß machen. Dann ist Grund und Boden für die 
Wissenschaft gewonnen, wenn man weiß, was ein Staat 
ist und daß er seyn soll. Dieses aber kann man nicht a poste¬ 
riori erfahren, man muß es wissen aus der Gesetzgebung der 
rei= 
— 
— 
— 
EBERHARD KARI 
Max-Planck-Institut für 
UNIVERSITAT 
europäische Rechtsgeschichte 
TÜBINGEN
	        
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