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Agent des allgemeinen Willens, z. B. König oder ein mem¬
brum vulgare, muß er auch Unterthan seyn und darf er
seine legalen Leistungen dem Staate nicht entziehn; aber er
hat das Recht, seine Bürgerschaft selbst aufzugeben,
mithin auch seine Leistungen und seine Person dem Staate auf¬
zukündigen. Denn er hat, als Bürger blos die Zwangs¬
pflicht, durch seine Willkühr die öffentliche und privat Freyheit
seiner Mitbürger, d. h. den allgemeinen Willen nicht zu ver¬
letzen: er darf z. B. keinen statum in statu anstiften, also
wenn er Grundeigenthümer ist, auf seinem Territorio, wegen
des Obereigenthums des Staats, keinen feindlichen Staat er=
richten. Diese Zwangspflicht nun verletzt er gar nicht, wenn
er sich von seinem bisherigen Staate absondert. Denn er wird
durch diese Handlung kein Feind seines Staats, sondern
blos von demselben entfremdet. Daß es unpolitisch
(denn kann man wohl auf diejenige, welche man wider ihren
Willen an sich knüpft, rechnen?), und daß es nicht mora¬
lisch sey (denn wird dadurch, daß jeder empirische Staat seine
Landeskinder an sich kettet, wohl die Realisirung des idealen
Staats befördert?) wenn der Staat die Eingeborne unbedingt
fesselt, will Rez., weil es nicht hieher gehört, blos anfüh¬
ren: nur noch zweyer Einwürfe will er gedenken.
„Der Staat hat seinen Eingebohrnen doch so viel gelei¬
stet!" — Aber, hat denn der Eingebohrne dem Staate nichts
geleistet? Mag doch jeder Theil seine Leistungen in Rechnung
bringen und findet sich denn eben, daß der Staat Vorschuß ge=
than habe und will er das Recht von Rechnungen abhängen
und käuflich seyn lassen; gut, so laß den Eingebohrnen, wel¬
cher emigriren will, seine Rechnungsschuld tilgen.
un „Niemand darf einen Vertrag einseitig aufheben; also
auch der Eingebohrne nicht den Staatsvertrag.“
— Hat der
Eingebohrne ausdrücklich mit dem Staate den Vertrag ge¬
schlossen, daß er sich nie von ihm trennen wolle; so mag er
selbst sehen, wie er fertig wird. Aber in dem öffentlichen
Staatsvertrage kann dieser Punkt gar nicht constituirt seyn:
denn wir haben oben gesehen, daß keine positive Gesetzgebung
also keine Constitutionsacta die Verfügung enthalten dürfe,
G 2
daß
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Vorlage:
EBERHARD KARLS
Max-Planck-Institut für
UNIVERSITAT
europäische Rechtsgeschichte
DFG
TÜBINGEN