102 B. II. Ein Strafrechtsf. a. d. Grenze zwischen Mord u. Todtschlag.
Verbrecher seine letzte Bitte gewähren, ich glaube vielmehr mit
Zuversicht, daß Sie ihm seine begangene Frevelthat so verzeihen
werden, wie Sie wünschen, daß Ihnen Gott einst Ihre began¬
genen Missethaten an jenem Tage verzeihen möge. In dieser
Voraussetzung habe ich ihm Ihre Verzeihung angekündigt, was
ihm bei dem schweren Gange, den er morgen thun soll, zu
nicht geringer Tröstung und Beruhigung gereichte. Der Himmel
nehme Sie und Ihre ganze Familie in seinen gnädigen Schut
und lasse Sie in Ihrem tiefen Leide Trost in der beseli¬
genden Hoffnung finden, daß einst ein ewiges Vaterland die
hier Getrennten alle wieder vereinigt. rc.
Darmstadt, den 14. October 1836.
Nach der Hinrichtung schrieb derselbe Geistliche an die
Mutter folgendes Schreiben:
Ihr unglücklicher Sohn Jacob, der heute sein Verbrechen
mit dem Tode gebüßt hat, beauftragte mich noch kurz vor sei¬
nem Ende, an Sie zu schreiben und Ihnen und seinen Geschwi¬
stern sein letztes Lebewohl zu hinterbringen. Bei dieser Gele¬
genheit trug er mir zugleich auf, Sie und die Seinigen wegen
alles dessen um Verzeihung zu bitten, wodurch er sie gekränkt
und beleidigt habe. Indem ich diesen seinen letzten Auftrag
hierdurch erfülle, bemerke ich, als sein bestellter Seelsorger, daß
er diese Welt als ein reuiger Sünder verlassen und seinen wohl¬
verdienten Tod mit christlicher Standhaftigkeit erduldet hat.
Der Himmel tröste Sie über das traurige Schicksal Ihres un¬
glücklichen Sohnes und lasse es allen den Ihrigen wohl zu Herzen
gehen, damit sie Sünde und Unrecht, Frevel und Missethat
meiden, die den Armen auf das Blutgerüste geführt haben. rc.
Darmstadt, den 15. October 1836.
Max-Planck-Institut für
europäische Rechtsgeschichte
DFG