E. Miscellen. 3. Das Ordrebuch des Ansbacher Nachrichters. 313
von 16 Todesstrafen jährlich im Durchschnitt so ungeheuer, als
wenn in dem jetzigen Rezatkreis von 500,000 Seelen alljährlich
80 Hinrichtungen statt finden würden. Erklären läßt sich diese
Ueberzahl durch die Härte des Gesetzes und der Richter, die
Wildheit der Menschen, und zwar der zahlreichen abgedankten
Soldaten, Zigeuner, Landstreicher, die Grausamkeit des Mark¬
grafen gegen die Wildschützen und den Schwindel des unseligen
Herenhasses. Die Untersuchungsrichter behandelten das Foltern
als Wissenschaft, auf deren Kunstausdrücke sie sich nicht wenig
zu Gute thaten. Fast alle Untersuchungen fingen damit an,
daß der Scharfrichter den Gefangenen nach gewissen Artikeln,
die er vom Richter empfing, gütlich befragte, wobei es schon
etwas unsanft zuging, mit angreifen, niederdrücken, auf eine
Leiter ausstrecken, jedoch ungebunden, ohne Gewichte; dann
folgte nach einigen Tagen oder Wochen der größere Ernst des
peinlichen Befragens, des Aufziehens mit angehängten Gewichten
und gebundenem Körper, was man „ein kleines Züglein sehen
lassen", einen „Gesellenzug" nannte, und hing es lediglich vom
Gefallen des Nachrichters ab, ob er der Züge einen oder ein
Paar, und milder oder gröber machen wollte. Das Letztere,
aus erstarrtem Dienst=Eifer, wird wohl das Gewöhnliche gewesen
sein. Für Weibsleute gebrauchte man im ersten Grad den
Daumenstock, im zweiten die Leibesbeschwerung, wo ihnen be¬
sonders auf den Kopf und in wagerechter Lage schwere Steine
und Gewichte aufgelegt wurden. Eine neue Erfindung war die
Nürnberger Form, die Seiten zu spannen, besonders die linke.
Die Gerichtsacten gefielen sich in mancherlei humoristischen Um¬
schreibungen, z. B. beim Staubbesen: die erste Weihe zum Galgen
geben, über den Besenmarkt jagen, Fitz Fetz machen, einen Wett¬
lauf anstellen mit Passomezzo, noch Einsmal verfahren und
wohl anhalten. Man nannte den Nachrichter in den Ordren
den Meister Auweh, Meister Hämmerlein, den Knüpfauf, Schnür¬
hännslein, Meister Stoffel, Meister Fix, Kurzab; man befahl
ihm, dem Sträfling das Gröbste herunter zu nehmen, ihm vom
Brod zu helfen, den Kopf abzuschlagen und ihn selbst dann
wieder laufen zu lassen; man empfahl bei der Folter: gut Ge¬
schirr zu machen, den Sträfling gut geigen zu lernen, gut Beicht
zu hören, zum guten, glückseligen, neuen Jahr ein gutes Züglein
zu machen; man war hauptsächlich bei den Umschreibungen des
Henkertodes unerschöpflich im höhnischen Galgenwitz: ein lustiges
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