A. III. Der Proceß Rau,
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gleichzeitig verabredete oder mindestens mit gegenseitigem Vorwis¬
sen in's Leben gerufene Unternehmungen gewesen, um die social¬
demokratische Republik in Baden und Würtemberg und von da
aus in ganz Deutschland einzuführen. Das klägliche und fast ko¬
mische Ende, welches das Unternehmen in Würtemberg fand — das
Ganze löste sich nach Rau's Verhaftung in eine der damals im
Schwange gewesenen Sturmpetitionen an die Kammer der Abge¬
ordneten auf — nachdem auch das badische am 24. schon gänzlich nie¬
dergedrückt war, konnte andere Gedanken damals nicht hervorru¬
fen. Wie das Unternehmen eingeleitet und inwieweit es auszu¬
führen begonnen wurde, werden wir aus dem Verweisungerkennt¬
nisse ersehen.
Die Verhandlungen, welche den 20. Januar ihren Anfang
nahmen, wurden von dem Oberjustizrath Frhr. v. Wächter gelei¬
tet, welcher mit dem Oberjustizrath Weber und dem Oberamts¬
richter Stein das Richtercollegium bildete. Vertheidiger waren
die Rechtsconsulenten Luz von Neuenburg und Schoder.
2.
Auszug der Anklageakte.
Dem Verweisungserkenntniß zufolge besteht das den
Angeklagten zur Last gelegte Verbrechen im Allgemeinen darin
daß auf den Tag des Volksfestes (des alljährlich zu Cannstatt
stattfindenden landwirthschaftlichen Centralfestes), den 28. Septem¬
ber 1840, zu Cannstatt eine Volksversammlung, gebildet durch mas¬
senhafte bewaffnete Zuzüge aus allen Landestheilen, zu dem Zwecke
veranstaltet werden wollte, die gewaltsame Abänderung der Ver¬
fassung des Königreichs zu bewirken durch Stellung von Forder¬
ungen an die Staatsregierung, deren Erfüllung von der Einschüch¬
terung dieser durch die drohende Macht oder von einer für den
Fall des Bedürfnisses beabsichtigten wirklichen Anwendung körper¬
licher Gewalt erwartet wurde; daß für diesen Zweck unter den An¬
geklagten Complotte eingegangen worden sind, daß demzufolge Auf¬
forderungen zum bewaffneten Zuzug nach verschiedenen Theilen
des Landes hin erlassen worden und solche Zuzüge auch theilweise
wirklich durch Vereinigung größerer Haufen zu Stande gekommen
sind; daß namentlich in dieser Hinsicht A. Gottlieb Rau. von Gail¬
dorf 1) am Samstag, 23. September 1848, in Begleitung des
Göttle und Held, die ihn zu Stuttgart abgeholt, nach Rottweil ge¬
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