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Der conseiller de la cour de Nfmes, Jos. Paulin MADIER, wurde
einer Verletzung seiner Dienstpflichten geziehen, und auf
Befehl des Justizministers, (garde des sceaux) vorgeladen,
sich vor dem Cassationshof, sections réunies sous la prési¬
dence du grand juge ministre de la justice (garde des sceaux,)
zu verantworten,
Sén. Cons. org. 16. Therm. X. art. 82.
Décr. imp. 20. April 1810, art. 56, 57, 59.
Obgleich nun, nach dem
Decret vom 20ten März 1810, art. 50 und 52
die Disciplinar=Verfahren, welche von Seiten der Gerichts=
collegien über ihre eigenen Mitglieder ergehen, en la chambre
du conseil vorgenommen werden sollen, so wurde doch, da die¬
selbe Vorschrift nicht auch für diejenigen Fälle be¬
steht, wo ein conseiller unmittelbar vor die Cour de cass,
geladen wird, — vom Garde des sceaux verordnet, der Herr
conseiller MADIER solle vor die öffentlichen Gericht¬
schranken geladen werden, in wessen Gemäßheit denn auch
der conseiller ohne Anstand in der öffentlichen Audienz erschien
und die ganze Procedur, ohne irgend einen deßfallsigen An=
stand, öffentlich gepflogen und erledigt wurde, (1820. Juli 12.
80.) obgleich es doch
Oktober 30." Sirey 21 1/ 55
blos eigentlich=disciplinäre Procedur war!
Sowohl für das hier angeführte Beispiel, als auch für alle fol=
genden, gilt die Bemerkung, daß die französische Rechtssprache
unter dem Ausdrucke audience bekanntlich immer audience pu-
blique versteht, sofern sie nicht eigens als audience à huis clos
bezeichnet ist. Conf. Sirey 18, 1, 211 & 20, 1, 237. C. Pr.
107, 111, 112, 116, 121 rc.)
VII.) Auf gleiche Weise übereinstimmend mit den bis hierher
entwickelten Grundsätzen von strengster Festhaltung an die
Regel von der Oeffentlichkeit in allen nicht ausdrücklich ausge=
nommenen Fällen, ist es auch, daß selbst diejenigen Disciplinar=
sachen, welche in erster Jnstanz (sit venia verbo) wirklich
en la chambre du conseil behandelt werden sollten und
wirklich so behandelt worden sind, doch in höheren Jnstanzen,
wenn sie ja dahin gelangen, öffentlich behandelt werden.
Der Untersuchungsrichter MICQUEL war, in dieser seiner Eigen=
schaft, vom Generalstaatsprokurator an der Cour von Toulouse,
vor diese Cour geladen
MERLIN rép. XV. p. 203. col. 2.
schuldig befunden und mit Censure bestraft worden. Er inter=
ponirt ein Cassationsgesuch, und die Sache wird am Cassa=
tionshofe «à l'audience de la section criminelle »
MERLIN I. c. col. ead,
verhandelt und entschieden; (freilich dahin, daß in einer
solchen Disciplinarsache ein Recurs an den Cassationshof gar
nicht zulässig sei.) Vergl. auch:
MERLIN rép. II. p. 165, col. 1, (minist. publ. contre
l'avoué F.)
verbis:
« ais-je dit à l'audience ; »
und
rép. III. p. 710, col.2. med. (contre le juge Soubiran;)
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Max-Planck-Institut für
europäische Rechtsgeschichte
DFG