Full text: Archiv merkwürdiger Rechtsfälle und Entscheidungen der rheinhessischen Gerichte, mit vergleichender Berücksichtigung der Jurisprudenz von Frankreich, Rheinbaiern und Rheinpreußen (Bd. 2 (1830))

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Der conseiller de la cour de Nfmes, Jos. Paulin MADIER, wurde 
einer Verletzung seiner Dienstpflichten geziehen, und auf 
Befehl des Justizministers, (garde des sceaux) vorgeladen, 
sich vor dem Cassationshof, sections réunies sous la prési¬ 
dence du grand juge ministre de la justice (garde des sceaux,) 
zu verantworten, 
Sén. Cons. org. 16. Therm. X. art. 82. 
Décr. imp. 20. April 1810, art. 56, 57, 59. 
Obgleich nun, nach dem 
Decret vom 20ten März 1810, art. 50 und 52 
die Disciplinar=Verfahren, welche von Seiten der Gerichts= 
collegien über ihre eigenen Mitglieder ergehen, en la chambre 
du conseil vorgenommen werden sollen, so wurde doch, da die¬ 
selbe Vorschrift nicht auch für diejenigen Fälle be¬ 
steht, wo ein conseiller unmittelbar vor die Cour de cass, 
geladen wird, — vom Garde des sceaux verordnet, der Herr 
conseiller MADIER solle vor die öffentlichen Gericht¬ 
schranken geladen werden, in wessen Gemäßheit denn auch 
der conseiller ohne Anstand in der öffentlichen Audienz erschien 
und die ganze Procedur, ohne irgend einen deßfallsigen An= 
stand, öffentlich gepflogen und erledigt wurde, (1820. Juli 12. 
80.) obgleich es doch 
Oktober 30." Sirey 21 1/ 55 
blos eigentlich=disciplinäre Procedur war! 
Sowohl für das hier angeführte Beispiel, als auch für alle fol= 
genden, gilt die Bemerkung, daß die französische Rechtssprache 
unter dem Ausdrucke audience bekanntlich immer audience pu- 
blique versteht, sofern sie nicht eigens als audience à huis clos 
bezeichnet ist. Conf. Sirey 18, 1, 211 & 20, 1, 237. C. Pr. 
107, 111, 112, 116, 121 rc.) 
VII.) Auf gleiche Weise übereinstimmend mit den bis hierher 
entwickelten Grundsätzen von strengster Festhaltung an die 
Regel von der Oeffentlichkeit in allen nicht ausdrücklich ausge= 
nommenen Fällen, ist es auch, daß selbst diejenigen Disciplinar= 
sachen, welche in erster Jnstanz (sit venia verbo) wirklich 
en la chambre du conseil behandelt werden sollten und 
wirklich so behandelt worden sind, doch in höheren Jnstanzen, 
wenn sie ja dahin gelangen, öffentlich behandelt werden. 
Der Untersuchungsrichter MICQUEL war, in dieser seiner Eigen= 
schaft, vom Generalstaatsprokurator an der Cour von Toulouse, 
vor diese Cour geladen 
MERLIN rép. XV. p. 203. col. 2. 
schuldig befunden und mit Censure bestraft worden. Er inter= 
ponirt ein Cassationsgesuch, und die Sache wird am Cassa= 
tionshofe «à l'audience de la section criminelle » 
MERLIN I. c. col. ead, 
verhandelt und entschieden; (freilich dahin, daß in einer 
solchen Disciplinarsache ein Recurs an den Cassationshof gar 
nicht zulässig sei.) Vergl. auch: 
MERLIN rép. II. p. 165, col. 1, (minist. publ. contre 
l'avoué F.) 
verbis: 
« ais-je dit à l'audience ; » 
und 
rép. III. p. 710, col.2. med. (contre le juge Soubiran;) 
5 * 
Max-Planck-Institut für 
europäische Rechtsgeschichte 
DFG
	        
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