Allgemeine
urisi
sche Zeitung.
Herausgegeben
v o n
Chr. Fr. Elvers,
ord. öffentl. Prof. der Rechte in Rostock.
Sonnabend, den 27. Febr. 1830.
Dritter Jahrgang. Nr. 17.
Vorschlagwegen mehrerer Gleichstellung der
Wie mißlich es mit den Nichtigkeiten bei uns
Nullitätsquerel mit der Appellation.
von jeher gestanden habe, ergibt schon die heillose
Es gehört zur Grundverfassung des Deutschen
Unterscheidung, welche die Processualisten des gemei¬
Staatenbundes, daß Behuf der Rechtspflege Gerichte
nen Rechts zwischen heilbaren und unheilbaren
erster, zweiter und dritter Instanz vorhanden sind *).
Nullitäten gemacht haben. Es scheint gegen den ganzen
Die Competenz der höheren Gerichte, in Beziehung
Zweck des gerichtlichen Verfahrens, welcher hauptsächlich
auf die Entscheidungen der unteren Gerichte, richtet sich
darin besteht, dem materiellen Recht den Sieg
jedoch nach dem Werthe des streitigen Gegenstandes,
zu verschaffen, zu verstoßen, wenn man irgend einen
die Sache muß appellabel seyn. Die Erfahrung
Gegenstand des Processes von solchen Nichtigkeiten,
lehrt, daß die meisten Processe nicht appellable
über deren Begriff und Umfang man nicht einmal
Summen zum Gegenstande haben, daß also in den
einig ist, abhängig macht. Was in einer Streitsache,
meisten Fällen die Hülfe des Oberrichters nicht ge¬
welche 100 Rthlr. betrifft, recht ist, muß auch in
sucht werden kann. Um doch aber den unteren Richten
einer Streitsache recht seyn, welche nur 20 Rthlr. be¬
nicht ganz unabhängig zu machen, läßt man gegen
trifft u. s. w. Mir sind- die Fälle nicht selten vorge¬
dessen Entscheidungen in nicht appellabeln Sachen die
kommen, daß der Oberrichter in appellabeln Sa¬
Nullitätsquerel zu. Allein der Zugang zu diesem
chen ganz anders entschied, als in nicht appel¬
Rechtsmittel ist sehr erschwert und gefährlich: der
labeln, durch die Nullitätsquerel an ihn gebrach¬
Suspensiveffect fehlt, es sollen Nullitäten de¬
ten Sachen, obgleich die zu beurtheilen gewesenen
ducirt werden, und wenn der Oberrichter keine findet; so
That= und Rechtsfragen ganz gleich waren. Der
nimmt er, wo nicht den Querulanten, doch jedesmal
Oberrichter hat natürlich keine Schuld daran, sondern
dessen Sachführer (Advocaten), in eine Geldbuße **)
nur die Gesetze, wonach er sich richten muß. Auf diese
Weise das materielle Recht an den Werth des streitigen
*) Waldeck's Versuch einer Analyse des InstanzWesens in
Gegenstandes, an eine s. g. Nullität knüpfen, ist we¬
ControversenEntscheidungen des O.A.G. zu Wolfenbüttel,
sentlich nichts anderes als: du gewinnst deinen
Thl. 1. §. 280 ff.
Proceß, weil du reich bist; du verlierst deinen
**) Diese Strafen belaufen, sich wohl bei dem O.A.G. in Celle,
laut der gedruckten Verzeichnisse, jährlich an 1000 Rthlr
armen Wittwen und Waisen verwandt werden, wie es in
Bei den Justizcanzleyen des Königreichs Hannover kommt
Baiern mit den von den Advocaten bezahlten Geldstrafen
vielleicht noch mehr auf. Ich kenne zwar die Verwendung
der Fall ist. — Darf man den, ungeachtet jener Strafen,
dieser Strafgelder nicht, doch soviel weiß ich, daß dieselben
häufigen Gebrauch der Nullitätsquerelen bloß der Streit¬
nicht zur Unterstützung der von den Advocaten hinterlassenen
lust rc. der Partheyen und deren Advocaten zur Last legen?
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