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oder in der nächsten, ebenfalls öffentlichen Sitzung das Er¬
ihre Partheyen in Schaden bringen, bald aus bloßer Ge¬
kentnniß auszusprechen. Ein wesentlicher Gewinn dieser Ein¬
winnsucht die frivolsten Proceße annehmen und mit den
richtung würde auch schon darin bestehen, daß dadurch
elenden Künsten von Fristgesuchen, Restitutionen, muthwilli-
manche Appellation über Beweissatz und Beweislast ver¬
gen Appellationen, grundloser Verweigerung der Litisconte¬
mieden würde.
station und mit Vorschützung frivoler dilatorischer Einreden,
Eine andere Huldigung, die dem öffentlichen Verfahren
in die Länge ziehen — Künste und Erwerbmittel, die frei¬
nothwendig gebracht werden muß, ist die, daß die Zeugen
lich der für seinen höchst ehrenvollen Beruf begeisterte Advo¬
in Gegenwart der Partheyen oder wenigstens ihrer Anwälte
cat verschmäht — so lange nicht elender Brodneid einem
verhört werden. Der Einwand, daß der Zeuge, wenn er
ächten Esprit de corps weicht, welcher dem auf der Bahn
abgesondert verhört werde, unbefangener aussage, wird,
der Ehre wandelnden, die Achtung und den Schutz*); dem
wenn er auch gegründet seyn sollte, vielfältig durch den
Fehltretenden aber auch die Mißbilligung der Standesgenos¬
Vortheil aufgewogen, daß durch die Mitanwesenheit der
sen sichert, — so lange ist bei uns an eine segensreiche
Parthey, sowohl die Böswilligkeit, als die Vergeßlichkeit des
Einführung des öffentlichen und mündlichen proceßualischen
Zeugen controlirt und der Gefahr, den examinirenden Rich¬
Verfahrens nicht zu denken.
ter zu mißverstehen, am leichtesten vorgebeugt wird. Daß
Wir haben dies Verfahren, zur Zeit des Königreichs
die in Voraus entworfenen, meist handwerksmäßigen Inter¬
Westphalen, mit seinen großen und glänzenden Vorzügen,
rogatorien diesen Mängeln nur höchst selten abhelfen, ist eine
aber auch mit seinen Mängeln, in der Nähe gesehen. Die
dem Praktiker hinreichend bekannte Sache. Auch ist nicht
Anwälte bei den damaligen Districtstribunälen waren in
abzusehen, warum wenigstens der Zeuge, der über förmliche
der Regel in drei Classen zu theilen. Zur ersten derselben
Artikel vernommen wird, mithin in der Regel nur mit
gehörten diejenigen, die mit den übrigen zu ihrem Berufe er¬
ja oder nein zu antworten hat, eine solche Antwort in Ge¬
forderlichen Talenten, die Himmelsgabe der freien Rede
genwart der Parthey mit größerer Befangenheit, als sonst
vereinigten und diese waren es, welche die herrlichen Vor¬
abgeben soll. Daß übrigens der Zeuge in seiner Aussage
züge jener Verfassung auf eine überraschende Weise zeigten.
nie unmittelbar durch die Parthey, oder ihren Anwalt, unter¬
Die zweite Klasse bildeten diejenigen, (gewöhnlich ältere
Männer) denen es wohl so wenig an juristischen Kenntnissen,
brochen werden dürfe, letztere sich vielmehr stets mit den
als an Zutrauen des Publicums, wohl aber an einem blü¬
Vorhaltungen, die sie dem Zeugen gemacht zu sehen wünscht,
henden Styl und an der Gabe der freien Rede gebrach. Es
wie dies die Preußische Proceßordnung vorschreibt, an den
war erbaulich diese, wohl mit einer kleinen Brille auf der
Nase, die Concepte ihrer schlecht stylisirten Vorträge aus¬
eraminirenden Richter zu wenden habe, versteht sich von
drucklos ableyern oder herschnarren und statt aller Widerle¬
selbst.
gung der Einwendungen des Gegners, sich blos auf ihr Vori¬
Die Beeidigung der Zeugen nach ihrer Vernehmung,
ges beziehen zu hören. Dergleichen Vorträge erschienen eher
wird der Gewissenhaftigkeit ihrer Aussage gewiß nur in
als eine Satyre auf das öffentliche und mundliche Verfahren
und waren — besonders einem gewandten Gegner gegen¬
höchst seltenen Fällen Eintrag thun, dagegen wenigstens, so
über — wenig geeignet, den Beobachter für die neue Ein¬
oft die Partheyen selbst anwesend sind, in den meisten Fäl¬
richtung zu gewinnen! Der Ueberrest endlich bestand aus
len das Erlassen des Zeugeneides zur Folge haben, der
jenen Neulingen und wenig Beschäftigten, welche die Sorge
besonders dann allen wohlthätigen Eindruck verfehlt, und
für den Unterhalt nöthigte, alle Sachen ohne Auswahl, bei
denen nur etwas zu verdienen zu hoffen war, anzunehmen,
eher einen widerlichen erregt, wenn viele Zeugen zu beeidi¬
wobei dann die Nullitäten Jagd bis zum Ekel getrieben wurde.
gen sind.
Wie oft ward da gutes Recht zu formellem Unrecht! Unver¬
Die Seele und Conditio fine qua non des öffentlichen
meidlich ist es aber doch, daß, besonders weit entfernte
und mündlichen Verfahrens, ist ein tüchtiger Advocaten¬
Partheyen auch mittelmäßigen Anwälten in die Hände fallen.
stand. So lange dieser wichtige und ehrenwerthe Stand,
*) In KurHessen ist durch eine Verordnung vom 29ten März 182
besonders auf dem Lande, zu seinen Gliedern noch so viele
auch den Anwälten die Aufnahme in die neue CivilWitt¬
mittelmäßige und weniger als mittelmäßige Subjecte zählt,
wen= und Waisen Societät gestattet.
welche bald aus Mangel an Kenntnißen oder aus Unverstand
(Fortsetzung folgt.)
Göttingen, in der Expedition der allgemeinen juristischen Zeitung.
Staatsbibliothel
Max-Planck-Institut für