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niemals mit Mannesleuten einen verdächtigen Umgang gepflogen.
Was kann unglückliche Inquisitin übrigens dafür, daß man sie
wegen des von Gott durch Krankheit zugeschickten Kreuzes nicht
länger in Diensten behalten können? Was kann sie für ihre Ar¬
muth, und daß sie dadurch genöthigt worden bei jetzigen betrübten
Zeiten das Brod vor den Thüren zu suchen? Was kann sie end¬
lich dafür, daß sie bei sogestalten Sachen, zu ihrem größten Leid¬
wesen, eine Landstreicherin werden müssen, und daher in die Um¬
stände gesetzt worden, daß sie Niemand aufnehmen können und
wollen? Alles dieses macht noch lange nicht aus, daß man sich
einer so verabscheuungswürdigen That von ihr versehen könne. Das
einzige Verbrechen, das sie vielleicht in ihrem Leben begangen, und
dafür sie nun so lange Zeit in squalore carceris büssen müssen, ist
dieses, daß sie sich von dem obgedachten Husaren zum Beischlaf
verleiten lassen, und auch diesen Fehltritt würde sie, allem Ansehen
nach, nicht begangen haben, wenn ihr der Husar nicht die Ehe ver¬
sprochen, und um ihr dieses desto glaublicher zu machen, sie zu dem
Ende neu gekleidet hätte. Dieses Versprechen, durch welches sie
sich aus ihrem Elende herausgerissen, und künftig ernährt zu sehen
geglaubt, hat sie daher veranlaßt, etwas menschliches zu begehen,
das sie außerdem wohl schwerlich gethan haben würde.
Und woraus will man übrigens das in dem angezogenen Ar¬
ticul der P. H. G. O. zur Tortur erforderliche Indicium der tödt¬
lichen Verdächtlichkeit herleiten, da sich bei ihr weder zur Ermor¬
dung dienliche Instrumente, noch an dem Kinde selbst die geringsten
Merkmale einer äußerlichen Laesion gefunden? Daß sie aus Unwis¬
senheit des Kindes Nabelschnur ununterbunden gelassen, um des¬
willen wird sie die Todesstrafe nicht verdienen.
Daß der Inquisitin auch die der zu befürchtenden Marter
halber, auf zweierlei Art gethane Geständnisse nicht nachtheilig sein
können, ist bereits deducirt worden, zumal da sie, wie aus dem in¬
ducirten Rotulo und erstatteten Berichte ihres Herrn Seelsorgers
erhellet, eben um deswillen ihre Geständnisse ratificirt, weil sie sich
außerdem der Wiederholung der Marter befürchtet. Was bleibt
also übrig? — Nichts, als armer Inquisitin offenbare Unschuld,
Nam si quis fatcatur homicidium, furtum, vel aliud quodvis
delictum, ex hac sola et nuda confessione Sententia capitalis in
eum ferenda non est.
Fieri enim potest, ut vel taedio vitae,
vel metu tormentorum, quibus judex eum lacerare minatur, vel
impatientia tormentorum, vel alia de causa fateatur. Quapropter
Max-Planck-Institut für
FG
europäische Rechtsgeschichte