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felhaften Sachen, als diejenigen sind, worin ein ganzes
Kollegium in paria geht, auch dem geschicktesten, brav¬
sten Manne, ein gedoppeltes votum und einen so bedeu¬
tenden Einfluß zu gestatten. Je schwächer übrigens das
Kollegium besetzt ist, je bedeutender also der Einfluß des
Präsidenten auf die Entscheidung schwieriger Rechtsfälle
seyn würde, je leichter überhaupt in schwach besetzten,
aus einer gleichen Anzahl Mitgliedern bestehenden Gerich¬
ten, Stimmengleichheit eintreten kann, desto bedenklicher
erscheint dies, dem Präsidenten zugestandene, Vorrecht.
Offenbar würde man in keiner kollegialisch zu be¬
handelnden Angelegenheit zum Schluß kommen, wenn
man nicht von der Voraussetzung ausgienge, daß ma¬
iora auch saniora sind; also als Grundsatz annähme,
daß dasjenige, was die Mehrzahl beschließt, auch
Recht sey. Mag es seyn, daß diese Regel ihre Ausnah¬
men leidet, daß also die Parteien dadurch nicht in al¬
len Fällen sicher gestellet werden: so bleibt doch ein an¬
derer Ausweg nicht übrig; und man muß sie gelten
lassen, will man anders nicht, daß die meisten Angele¬
genheiten unausgemacht liegen bleiben sollen.
Eine Stimmengleichheit aber läßt sich leicht auf
andere Weise als durch die Stimme des Präsidenten,
durch Adjunktion mehrerer Votanten oder durch Acten¬
verschickung heben; und auf solche Art eine Majori¬
tät bewirken, welche allein, die verlierende Partei
beruhigen kann. Hier tritt also offenbar keine Nothwen¬
digkeit zu Erwählung gerade jenes Auskunftsmittels
ein; — eines Mittels das sogar noch weit unsicherer als
die Majorität ist. Denn sicher kann man eher und öf¬
ter darauf rechnen, daß maiora auch saniora sind, als
darauf daß in den zweifelhaftesten Fällen, ge¬
rade die Meinung die richtige sey, welcher ein, im vor¬
—
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