Ueber die Aufwandgesetze.
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Die Gesetze muͤssen niemals so beschaffen seyn, daß
von ihrer Vollziehung größere Unordnungen und Nach¬
theile zu befürchten sind, als man von ihrer Nichtbeob¬
achtung befürchten könnte. So kann, was in den Häu¬
sern vorgeht, oder was sonst beschwerliche Nachforschun¬
gen erfordern würde, um gestraft zu werden, nicht ein
Gegenstand von Aufwandgesetzen werden. Sie sollen
sich mit nichts beschäftigen, als was den Augen des gan¬
zen Publikums offen steht.
Da übrigens die Strafen, welche auf die Uebertre¬
tungen fast bloß willkührlicher Verfügungen gesetzt wer¬
den, niemals mit Gerechtigkeit sehr scharf seyn koͤnnen, so
beruhet die Handhabung dieser Gesetze mehr auf der guten
Denkungsart der Bürger, als auf der Wachsamkeit der Rich¬
ter und ihrer Untergeordneten. Man muß also diese Gesetze
sowohl in ihrem Ausdrucke, als in ihrem wesentlichen Inhal¬
te so abfassen, daß die Unbeträchtlichkeit des Werthes von
der Strafe durch die Schande, sie verdient zu haben,
ergänzt werde.
Zuleßt bleibt doch immer unläugbar, daß auch die
besten Aufwandgesetze nur einem kleinen Theile der Bür¬
ger nüßzlich seyn können; die weit größere Zahl des von
den geringern Ständen, das ist, mehr als drey Vier¬
theile, beruͤhren sie nicht. Diese können bey den schäͤrf¬
sten Gesetzen immer noch so viel Aufwand machen, als
sie bey einer vernünftigen Wirthschaft machen sollten.
Die Reichen gewinnen dabey gar nichts; da sie aber da¬
bey nichts verlieren, so können sie mit Billigkeit ihren
minder begüterten Brüdern die Gefälligkeit nicht versa¬
gen,
Vorlage:
Max-Planck-Institut für
europäische Rechtsgeschichte