der verschiedenen Stände.
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Schriftsteller zu einer Maxime machen zu wollen
scheinen. Ein solches System kann nicht gedacht
werden, ohne den Fleiß gänzlich zu unterdrücken, die
bürgerliche Sicherheit aufzuheben, alle Stände zu
verwirren, das gemeine Volk stolz, neidisch und eitel
zu machen, und den Reichen Lust und Eifer, dem all¬
gemeinen Besten zu dienen, zu benehmen. Wenn
wir uns ein Volk im Stande der Natur, und in der
vollkommensten Gleichheit der Umstaͤnde vorstellen; so
mußte man entweder alle Lust, mehr als die unent¬
behrlichen täglichen Beduͤrfnisse zu erwerben, unter¬
drücken, oder es wird nicht lange währen, daß nicht
Ungleichheit bei diesem Volke Platz greifen sollte;
wofern nicht die Natur ihm allen Ueberfluß versagt
hat.
Es wird nicht lange währen, daß nicht ein
Unterschied im Vermögen; und folglich Reiche und
Arme, entstehen sollten. Die Kinder oder Erben,
müßten das Vermögen und die Rechte, die ihre Ael¬
tern erworben haben, entweder behalten oder nicht.
Setzen wir, daß sie sie nicht behalten sollten, weil
es die Gleichheit nicht erlaubte; da heben wir ja die
Betriebsamkeit und alle Lust zum Gewinnst, die auf
die natürliche Liebe gegründet ist, auf; und folg¬
lich verwandeln wir diesen eingebildeten Stand der
Freiheit und Gleichheit, in eben einen solchen, der¬
gleichen in den morgenländischen und despotischen
Staaten sich findet. Setzen wir hingegen, daß die
Nachkommen das, was ihre Väter auf eine recht¬
mäßige Art erworben haben, behalten sollten, da¬
fern es nicht dem ganzen Staate zur Last wird;
wird mit der Zeit eine merkliche Ungleichheit ent¬
Hh 2
stehen.
Vorlage:
Max-Planck-Institut für
DFG
chte
europäische Rechtsgeschi
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