VII. Ueber das Verbrechen des Predigens rc.41
Als er nirgends Ruhe fand, und weder bei den
Protestanten noch bei den Katholiken seines Lebens sicher
war, so trat er in Venedig zur jüdischen Religion uͤber.
Er war nicht nur selbst davon üͤberzeugt, sondern be¬
hauptete auch bis an seinen Tod, die jüdische Reli¬
gion sei die einzige wahre, und weil sie es ehedem
gewesen wäre, so müßte sie es allezeit bleiben. Die
Juden beschnitten ihn nicht, weil sie mit der Obrig¬
keit Händel zu bekommen fürchteten; indessen war er
doch innerlich ein Jude. Oeffentlich bekannte er sich
nicht dazu. Er ging endlich als Prädikant nach
Genf, ward daselbst erst Lehrer des Gymnasium, und
erhielt alsdenn die Wuͤrde eines Dieners des goͤtt¬
lichen Worts.
Der ewige Streit, der in seinem Herzen zwischen
Kalvins Sekte, deren Lehren er predigen mußte, und
zwischen der mosaischen Religion, die er für die ein¬
zige wahre hielt, sich befand, machte ihn geraume
Zeit krank. Er siel in eine Melancholie, und eine
äußerst schmerzhafte Krankheit. Im Anfalle der
Wuth und der Schmerzen schrie er einstmals laut
auf: — er sei ein Jude. Die Geistlichen besuch¬
ten ihn, und waren darauf bedacht, ihn wieder zu
sich selbst zu bringen. Aber er antwortete ihnen, daß
er den Gott Israels anbete, daß Gott sich unmoͤg¬
lich verändern, und ein Gesetz abschaffen könne, das
er selbst gegeben, und mit seiner eigenen Hand auf=
geschrieben hätte. Er redete gegen das Christen¬
thum, hierauf widersprach er allem dem, was er
eben gesagt hatte, und setzte, um nur nicht öffent¬
lich
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Vorage:
Max-Planck-Institut für
DFC
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