Full text: Magazin der Gesetzgebung, besonders in den königl. preußischen Staaten (Bd. 2 (1782))

120 
Kommentar über Beccar. Werk. 
Man sah vor nicht gar langer Zeit in einer sehr 
reichen Stadt ein achtzehnjaͤhriges Madchen von aus¬ 
serordentlicher Schönheit aufhängen. Was war ihr 
Verbrechen? Sie hatte ihrer Frau, einer Gastwir¬ 
thin, die ihr ihren Lohn nicht bezahlte, achtzehn Ser¬ 
vietten genommen. 
Der Pöbel, der solchen Schauspielen zuläuft, wie 
den Predigten, weil hier der Einlaß nichts kostet, zer¬ 
schmolz in Thränen; und keiner hätte es gewagt, das 
Opfer zu befreien, obgleich all gern die Barbarin ge¬ 
steinigt haͤtten, die sie hinrichten ließ. 
Was ist die Folge jenes unmenschlichen Gesetzes, 
das auf die Art ein kostbares Leben mit achtzehn Ser= 
vietten in eine Waagschale legt? Das die Dieb¬ 
stähle vermehrt werden. Denn wo ist der Hausherr, 
der es wagt, alles Gefühl von Ehre und Mitleid so 
sehr zu verlängnen, daß er seinen Bedienten, der ein 
so kleines Unrecht begangen, hingiebt, und vor seiner 
Thure haͤngen läßt? Man begnügt sich ihn fortzu¬ 
jagen; er geht hin und stiehlt wo anders, und wird 
oft ein Straßenraͤuber. Das Gesetz hat ihn dazu ge¬ 
macht, es ist Schuld an allen seinen Verbrechen. 
In England hat man noch das Gesetz nicht ab¬ 
geschaft, das jeden Diebstahl, der über zwölf Sols 
beträgt, mit dem Tode bestraft. Wahrhaftig sehr 
wohlfeil! Uebrigens bringt die Entwendung der ge¬ 
ringsten Möble in einem königlichen Pallast an den 
Galgen, und man hat Beispiele davon. Geschieht 
das um ein Unrecht gut zu machen, das dem Kö= 
nig 
Vorage 
Max-Planck-Institut für 
DFG 
europäische Re 
chtsgeschichte 
9
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.

powered by Goobi viewer