XVI. Von der Entdeckung durch die Beichte. 115
ihr böses Herz, ihre Schadenfreude durch Anklagen
an den Tag legen, unter der nichtswürdigen Entschul¬
digung, weil man es ihnen nicht im Beichtstuhle,
sondern in der Studierstube entdeckt habe. Schänd¬
licher, und in den Augen eines Weltweisen abscheuli¬
cher Unterschied! Wenn ein Advokat die Geheimnisse,
welche sein Klient ihm auf der Studierstube entdeckt,
dem Gegentheil verräth, was ist er? Wenn ein Arzt
heimliche Krankheiten ausplaudert, was ist er? Wenn
ein Seelensorger sein Pfarrkind, das sich in Angst
der Verfolgung unter seine Flügel verbergen und Trost
suchen will, eben demjenigen Habichte verräth, der
es verfolgt, was ist er? Ich glaube nicht, daß ei¬
ner das Paradore so hoch treiben und fordern werde,
der Verbrecher solle sich selbst anzeigen. Zwar den
Schaden ist der Betruͤger, wenn er zu bessern
Mitteln kommt, allerdings dem Betrogenen zu
ersetzen, in seinem Gewissen verbunden.
Aber
was die Strafe betrift, soll er seinen Leib der Geißel,
soll er seinen Hals dem Stricke darbieten? Wer das
verlangt, empört sich wider die Natur, und kennt den
Menschen nicht. Selbst also mich anzugeben bin ich
nicht verbunden. Nun aber, da ich meinem Naͤchsten
als mich selbst lieben soll, so werde ich, wenn ich mich
zum Anklagen darbiete, dem Christenthum entgegen
handeln. Wie? wenn ich nun gesehn haͤtte, daß mein
Nachbar einen Hasen getodtet, und köͤnnte es nicht er¬
weisen, so würde mein zärtliches Gewissen mir die
Strafe der Verlaͤumdung zuziehn, und es geschaͤhe
mir Recht." Jedoch, alles dieses versteht sich nur
von geschehenen, nicht aber zukuͤnftigen Verbrechen.
H 2
Jch
Vorlage:
Max-Planck-Institut für
DFC
chtsgeschichte
europäische Re