22 Der Entwurf eines Strafgesetzbuch= | |
mindert ist, wo z. B. partieller Wahnsinn, Blödsinn,
welcher jedoch nicht alle Zurechnung ausschließt, Taub=
stummheit, eine Trunkenheit, jedoch nicht im höchsten
Grade, zur Zeit des Verbrechens vorhanden waren. Jn
Deutschland haben die Gesetzgeber keine Besorgnisse vor ei=
ner Uebergewalt der Richter gehabt und erkennen das Recht
der Richter, die Strafe wegen verminderter Zurechnung
zu mildern, auch bei den eodeswürdigen Verbrechen an.
Thut man dies nicht, so wird eher ein Schuldiger, der
zwar nicht außer Zurechnung aber doch nicht in voller
handelte, ganz der Strafe entgehen, weil die Kunstver=
ständigen wie die Richter in der Collisionslage entweder die
Todesstrafe erkennen zu müssen, wenn die Zurechnungs=
fähigkeit angenommen wird, oder der Nothwendigkeit
diese Strafe auszusprechen durch die Erklärung der Unzu=
rechnungsfähigkeit zu entgehen, lieber das letzte wählen.
Eben bei der Todesstrafe sollte man den Richter nicht in
die furchtbare Lage setzen, eine Strafe, vor der die allge=
meine Stimme immer mehr zurückschaudert, da erkennen
zu müssen, wo er sie nicht für verdient erkennt. Der
art. 69. scheint uns daher nicht consequent. Die Ver=
tröstung auf die Gnade ist eine nicht genügende, wo die
Gerechtigkeit eine andere Forderung stellt. Der art. 69.
unterliegt aber noch anderen Einwendungen, theils weil
er auf einer Seite zweierlei durcheinander wirft und in sei=
ner unbestimmten Fassung eigentlich eine Ermächtigung
giebt, wie die französische Bestimmung wegen der cir-
constances attenuantes, theils weil auf der andern
Seite die Gränzen, die er dem Richter setzt, zu eng ge=
zogen sind. Es ist verletzend, wenn die Richter gegen
Femanden, bei dem sie sehr verminderte Zurechnung an=
nehmen, doch Ehrloserklärung aussprechen müssen. Er=
wäge man nun die unendlich vielen Abstufungen von der
völligen Unzurechnungsfähigkeit bis zur vollen Zurechnung.
Vonage
Staatsbibliothek
Max-Planck-Institut für
zu Berlir