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Ueber den neuesten Zustand
daß die Italiäner ihr großes Talent nicht mehr zu
selbstständigen Forschungen benutzen. Es ist verdienst¬
lich, die Ergebnisse der Leistungen des Auslandes den
Landsleuten mitzutheilen; aber die Originalität soll dar¬
unter nicht leiden. Unter den selbstständigen Arbeiten
in der Zeitschrift bemerken wir in Heft I. p. 2. eine
Abhandlung von Ferrarese') über die Zurechnungs¬
fähigkeit der Taubstummen, p. 30. eine Abhandlung des
Herausgebers über die Verantwortlichkeit des Arztes
bei Ausübung der ärztlichen Kunst, p. 24. Ferra¬
rese über die Frage: ob die größere geistige Ausbil¬
dung und überhaupt der höhere Grad der Civilisation
auf die Vermehrung der Fälle des Wahnsinns einen
Einfluß haben; p. 27. von Sannicola über die
Nothwendigkeit der Belehrung des Volkes in Bezug
auf Hundswuth. Mit Recht bringt der Herausgeber
auch p. 6. die in neuester Zeit in Frankreich verhan¬
delte Frage zur Sprache: ob der Gerichtsarzt getadelt
werden könne, wenn er bei einer Frage, z. B. ob die
Person in Folge der Vergiftung gestorben sey, nur
ausspricht: daß es sehr wahrscheinlich sey. Orfila
hatte 1843 einen solchen Ausspruch, und wurde von
dem Appellationsrath Smith in Riom deswegen ge¬
tadelt, indem dieser forderte, daß der Gerichtsarzt im¬
mer bestimmt aussprechen müsse, ob Vergiftung da sey,
oder nicht. Mit Recht hatte Orfila durch Zergliede¬
rung von Beispielen gezeigt, daß ein solcher Ausspruch
häufig mit dem Gewissen des Sachverständigen im Wider¬
spruch seyn würde. Wenn der Richter ihn nöthigt,
sich bestimmt zu erklären, ob A. am Gifte gestorben
ist oder nicht, so zwingt er ihn, eine Unwahrheit zu
Von den zahlreichen Schriften des Hrn. Ferrarese in
Neapel werden wir unten bei den Seelenstörungen handeln,
worauf sich die Schriften des geistreichen Ferrarese beziehen.
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