Full text: Zeitschrift für die Criminal-Rechts-Pflege in den Preußischen Staaten mit Ausschluß der Rheinprovinzen (Rep. 1. Bd. 1/10. 1825-28 (1830))

Affect. 
Gemüthsbewegung, weil man voraussetzt, der Handelnde 
habe bei ruhigen Zeiten durch Ueberlegung der, aus der 
Befriedigung der Leidenschaft entstehenden Folgen, diese 
mäßigen können. Anders verhält sich die Sache, wenn 
die Gegenwart die Gemüthsbewegung auf einen so hohen 
Punct getrieben hat, daß der Thäter, wenn er auch vor¬ 
her nicht an dergleichen Gemüthsbewegungen sich gewöhnt 
hätte, dennoch durch den gegenwärtigen Reiz so heftig er¬ 
griffen wurde, daß er nicht im Stande war, anders zu 
handeln, als er wirklich gehandelt hat. Hat die Gemüths¬ 
bewegung einen so hohen Grad erreicht, so hatte das Ver¬ 
mögen, sich dem Gesetze gemäß zu bestimmen, völlig auf¬ 
gehört; und es wird alsdann die Zurechnung" gänzlich 
ausgeschlossen, vorausgesetzt, daß der Handelnde nicht durch 
seine Schuld in diesen Zustand gerathen ist. Je weniger 
der Gemüthszustand in dem Inneren des Menschen, und 
je mehr er in den von ihm unabhängigen Umständen ge¬ 
gründet war, desto geringer ist auch die Zurechnung; denn 
alsdann nimmt in eben diesem Grade die That die Na¬ 
tur einer bloßen Scheinhandlung an. 
III, 51. 
2) Die Frage: ob, wenn das Vernunftrecht die For¬ 
derung thut, den durch Umstände auf das Aeußerste ge¬ 
brachten Affect als Milderungsgrund gelten zu 
lassen, der Richter dies wagen dürfe, wo das Gesetz 
es ihm nicht ausdrücklich erlaubt? ist dahin zu beant¬ 
worten: - 
— Gesetzgeber und Richter müssen in Beziehung 
auf die Freiheit des Willens einen verschiedenen Gesichts¬ 
punct annehmen. Jener will das sinnliche Interesse mit 
dem geistigen vereinigen, indem er den inneren Gründen 
gegen eine gemeinschädliche Handlung noch äußere hinzu¬ 
fügt. Er würde zwar vergeblich unternehmen, den sinn¬ 
lichen Reiz, dessen er doch selbst bedarf, in dem Menschen 
auszurotten oder zu schwächen; aber er will doch einem 
gewissen Reize einen Gegenreiz entgegen stellen. Hieraus 
folgt, daß derjenige Reiz, den der Gesetzgeber durch An¬ 
drohung des Strafübels bekämpfen wollte, von dem Rich¬ 
ter nicht als ein solcher betrachtet werden könne, welcher 
die Strafbarkeit mindern darf. Dagegen kommen aller¬ 
dings diejenigen Reize zur Milderung der Strafe in Be¬ 
tracht, welche der Gesetzgeber bei der Bestimmung der 
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Voage 
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Max-Planck-Institut für 
zu Berlin
	        
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