Taubstummheit.
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raub ist. Oder sollte der Raubmord nur eine Untergat¬
tung des Mordes seyn, und also das, was vom Morde
überhaupt gilt, auch auf den Raubmord angewendet wer¬
den müssen, wenn darüber nichts Besonderes verordnet
worden? Doch dabei ist zu erwägen, daß der s. g. ge¬
meine Mord auch nur eine Untergattung des Mordes
überhaupt ist, bei welchem nur keine erschwerenden Um¬
II, 64.
stände vorkommen. (K. XVIII. 254.).
T.
Taubstummheit.
Der wesentliche Einfluß, den das körperliche Gebrechen
der Taubstummheit auf die Bildung des inneren Men¬
schen nothwendig haben muß, leuchtet auch ohne medici¬
nische und psychologische Kenntnisse von selbst ein. Denn
so wie die Sprachfähigkeit ausschließlich nur vernunftbe¬
gabten Wesen beiwohnt, und die Bildung einer Sprache
ohne vorgängige Entwickelung von Verstandesbegriffen
schlechthin undenkbar ist, so ist umgekehrt wiederum die
Sprache das medium, durch welches die Anlagen der
Vernunft und des Verstandes entwickelt und ausgebildet
werden können. Wo also das medium der Sprache gänz¬
lich fehlt, kann auch die geistige Ausbildung gar nicht,
folglich kann dieselbe nur in so weit erfolgen, als der
Mangel der mündlichen Mittheilung anderweitig durck
Schrift- oder Zeichensprache ersetzt werden kann. Daß
ein solcher Ersatz des mündlichen Sprachausdrucks nicht
nur möglich, sondern in gewissem Grade bei allen Taub¬
stummen vorhanden, ist eben so bekannt, als daß in neue¬
rer Zeit diesen sogar die Sprache selbst in Wort und
Schrift gelehrt wird, und dieselben dadurch hinsichtlich ih¬
rer geistigen und sittlichen Bildung jedem Andern gleich¬
gestellt werden. Aus diesen allgemeinen Erfahrungssätzen
folgt also, daß die Taubstummheit an und für sich die
Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließen kann, daß es viel¬
mehr überall nur auf die Art und den Grad der dem
Taubstummen durch Erziehung, Unterricht, Umgang und
Beispiel zu Theil gewordenen geistigen Ausbildung an¬
kommen wird, und daß diese Fragen allemal in concre¬
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zu Berlin