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143.) daß um eine Beschädigung oder Verwundung im
rechtlichen Sinne füͤr toͤdlich zu halten, nicht mehr als
die Gewißheit erfordert werde, daß dieselbe im gegenwaͤr¬
tigen Falle als wirkende Ursache den erfolgten Tod des
Beschädigten hervorgebracht habe. „Es hat," heißt es
hier weiter, „sonach auf die rechtliche Beurtheilung der
in Zweifel gezogen würde und streitig wäre. Sie ist vielmehr
heutzutage ganz allgemein angenommen und hat sich sogar
in den Gerichten eingeschlichen. Wie oft werden nicht dar¬
über medizinische Gutachten eingeholt: Ob in einem gewis¬
sen Falle die Verletzung an welcher Jemand gestorben, abso¬
lut tödtlich gewesen sey? Nur hie und da haben Einige von
den Rechtsgelehrten darauf nicht sehen wollen z. B. Leyser
(Spec. 594. No. 20.-
Ja, es ist diese Lehre
nicht nur ein Schandfleck der wissenschaftlichen Bearbeitung
des Criminalrechts, sondern auch für die öffentliche Sicherheit,
und noch darzu grade in Ansehung eines der größten Verbre=
chens, von den wichtigsten Folgen. Sie ist ein wahres Aspl
der Mörder! Als Mitglied zweier Spruchkollegien habe ich
zuweilen jährlich mehr als einmal die Erfahrung gemacht
daß die ausgemachtesten Mörder einzig und allein unter dem
Schilde der Meinung von dem Erfordernisse einer nothwen=
dig tödtlichen Verletzung zum Thatbestande einer Tödtung
der verwirkten Strafe entgingen. und sollte sich noch heute
der Fall zutragen, daß einer Jemandes Kopf mit einer Holz=
axt so verletzt, daß dieser von der Wunde nach wenig Stun¬
den verstirbt, auch Aerzte einstimmig bezeugen, der Tod sey
eine Folge der Schläge gewesen, oder ein Anderer gäbe Je=
manden Arsenik, der denselben an eben dem Tage unbezwei=
felt tödtete, so würden die Spruchkollegien nach der verehr¬
ten Meynung, in beiden Fällen nicht die Strafe des Mordes
für verwirkt achten können, wenn die Aerzte ihr Gutachten
darauf, daß eine solche Kopfverletzung durch das Trepaniren
jemals geheilt, und in dem zweiten Falle, daß durch ein
Brechmittel oder ein andres Medikament eine solche Vergif¬
tung jemals unschädlich gemacht worden, und daher eine
Rettung noch möglich gewesen seyn könne, stellen sollten.
Die größte Strafe in beiden Fällen würde, nach dem Ge=
richtsgebrauche in Chursachsen, vierjährige Zuchthausarbeit
seyn.
!!I)
Voe
Staatsbibliothel
Max-Planck-Institut für
zu Berlin