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Todte an den Wunden gestorben sey, wenn dieses bezwei¬
felt würde. — Sie stellt sich also, obwohl sie sich sonst
von dem consequent-materiellen System des aͤltern Deut¬
schen Rechts fast gänzlich losgemacht hat, in diesem
Punkte doch wieder nicht auf den höhern Standpunkt
des Römischen Rechts, welches nur auf den Willen sieht,
sondern erhält sich hier gewissermaßen in der Schwebe
zwischen beiden. Diese Bestimmung der C. C. C., ver¬
bunden mit jener im Nationalcharacter des germanischen
Rechts liegenden Berücksichtigung der sinnlich wahrnehm¬
baren That, ist denn auch die Ursache der höͤchst merk¬
würdigen Richtung, in welcher diese Lehre seit der C. C. C.
von den Juristen fortgebildet wurde. Indem nämlich
diese die Lehre vom Thatbestande der Toͤdtung recht fein
ausbilden wollten, und dabei die Ruͤcksicht auf das Gei¬
stige im Menschen so viel wie möglich in den Hinter¬
grund schoben, vertieften sie sich immer mehr in das Ma¬
terielle der That, und sklavisch an den Worten der C. C. C.
im angefuͤhrten art. festhaltend, baute man darauf mit
verständiger Consequenz, aber ohne allen Gedanken und
ohne hoͤheres Prinzip, immer weiter und weiter.
So
ist es denn geschehen, daß die Lehre, wie sie sich am Ende
des vorigen, und zu Anfange dieses Jahrhunderts gestal=
tet hatte, den gesunden nicht juristischen Menschenverstand
eben so sehr beleidigte, als sie vor einer wahrhaft philo¬
sophischen Beleuchtung keinen höhern Haltpunkt aufwei¬
sen konnte. — Die C. C. C. verordnet im angeführten
art. der Arzt solle entscheiden, ob der Verwundete an den
Streichen gestorben sey, die Doktrin knuͤpfte daran aber
die ganze Lehre von den absolut oder an sich toͤdlichen
Verletzungen, die ihr Extrem in dem Satze erreichte: daß
nur wenn eine zugefügte Verletzung, woran der Thäter
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