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es ihm unmöglich wurde, das vornehmste aller gottlichen
und menschlichen Gebote, das Gesetz: „du sollst nicht
tödten," zu übertreten; ja sogar es zu verletzen durch
grausame Tödtung seines eigenen Sohnes; hat es nicht
bedenklich seyn können, den höchsten Grad der vorhin
benannten Strafe, mithin Einjähriges Gefängniß, gegen
den Angeschuldigten zur Anwendung zu bringen.
Es verstand sich von selbst, daß von der Anwendung
irgend einer Strafe, auch selbst nur der des fahrläßigen
Todtschlages, gegen den rc. Thiel nicht hätte die Rede
seyn können, wenn nach dem Ausspruche der Aerzte jener
Zustand des trunksüchtigen Blödsinnes, mithin der Be=
wußt= und Willenslosigkeit, auch gegenwärtig noch fort=
dauerte; nach demjenigen aber, was über den zeitigen
Zustand desselben, und über sein ganzes Benehmen seit
seiner Aufnahme in die Jrrenanstalt, bereits oben mitge=
theilt worden, ist er für jetzt, nicht nur als geistesge=
sund, sondern als von der Krankheit der Trunksucht
vollständig geheilt, anzusehen; und es unterliegt daher
keinem Bedenken, ihn in solcher Beziehnng für straffähig
zu erachten. Es steht zu hoffen, daß die Einjährige Frist,
für welche er jetzt noch zur Strafe dem Zustande selbst=
ständiger Freiheit hat entzogen werden müssen, nur um
so vortheilhafter auf seinen körperlichen Organismus ein=
wirken werde, und daß er hiernächst ohne weitere Be=
sorgniß für die Sicherheit seiner Umgebungen, der mensch=
lichen Gesellschaft wird wiedergegeben werden können.
Bei solchem Ausfall des Erkenntnisses hat endlich
über die oben angefuͤhrten Maͤngel der Untersuchung,
nehmlich den Mangel des artikulirten und Schlußver¬
hörs, so wie einer Vertheidigungsschrift ganz füglich hin=
weggesehen werden können; wie denn auch, da über den
Vorse
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Max-Planck-Institut für
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