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alten verdörrten Baum durch Einpfropfen neuer Zweige
zu beleben, und zu diesem Ende die frischen Stämme ab¬
hauet, die neben ihm emporwachsen.
Deswegen muß auch nothwendig jeder Versuch, eine
Verfassung zu bilden, mißlingen, sobald man dabei von
Verträgen ausgehet, die jene Elemente in ihrem Bestehen
zum Voraus setzen, und die Betheiligten verleiten, über
dieselben wie über Privatrechte zu unterhandeln.
Das Beispiel der Würtembergischen Stände=Ver=
sammlung hat dieses, dünkt mich, hinlänglich gezeiget.
Ich behaupte nicht, daß man unter den Verfassungen
des Mittelalters nicht glücklich, ja nicht vielleicht glück¬
licher seyn könnte, als jetzt; aber ich behaupte, daß sie
setzt unmöglich sind. Ich bin nicht der Meinung, daß in
einer großen Monarchie durchaus kein Adel seyn soll / aber
ich bin überzeugt, daß man in ihr das Adels-Institut, wie
es in den durch die Landeshoheit zerstückelten Provinzen
derselben bisher bestand, durchaus nicht zum Grunde
legen kann und darf.
Jch sage nicht, daß über die Verfassung nicht unter=
handelt werden soll; ich sage aber, daß man bei diesen
Verhandlungen durchaus nicht solche Verträge zum Grunde
legen darf, die auf Verhältnissen beruhen, welche von
selbst untergegangen sind, und ein Prinzip voraussetzen,
welches in unserer Zeit unmöglich mehr Prinziy der Staaten
seyn kann.
Ich vertheidige nicht die Gräuel und Unthaten, unter
denen die französische Revolution die Forderungen der
Zeit erfüllte, aber ich vertheidige diese Revolution selber,
weil sie diese Forderungen erfüllt hat.
Vorage
Staatsbibliothek
Max-Planck-Institut für
zu Berlin