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Gesetzbücher fordern eine Vorbereitung, ein reifliches Ab¬
wägen der Gründe bei den Entscheidungen, und der ver¬
ständige Geist des Zeitalters verlangt eine diesem Ver
stande anpassende Form des Prozesses. Die Instruktion
des Prozesses, welcher von rechtsgelehrten Advokaten ge¬
führt wird, fordert eine gewisse Bedächtlichkeit, die mit
dem mündlichen öffentlichen Verfahren nicht verträglich
ist; wir sind gewohnt, alles länger zu überlegen und
nüchtern und unbestochen, freilich langsamer, aber auch
sicherer zu denken. Der Prozeß bei uns hat einen ge¬
wissen ernsten, langsamen Gang (wir verstehen
schon — den alten Schlendrian, der zu einem langsamern,
aber zu keinem bessern — oft zu gar keinem Ende führt!);
jede Partei soll sich vollkommen vertheidigen können, keine
soll überlistet oder übereilt werden, (bei uns auch nicht
— experientia docet), bei dem mündlichen Verfahren kann
dies nicht vermieden werden, (ich bitte um specialia oder
mir zu erlauben, daß ich deren in jenen alten deutschen
dickleibigen Prozeduren suche — ich will sagen, dies kann
dies= und jenseits geschehen — etrare humanum est, und
dafür haben wir die revidirenden gerichtlichen Jnstanzen,
die diesseits nur prompter von statten gehen, als jen¬
seits!) Es ist vollkommen gegründet, was v. Gönner in
den Motiven zu dem Entwurfe eines Gesetzbuchs über
das gerichtliche Verfahren in bürgerlichen Rechtssachen
(S. 297) sagt: wenige Menschen vereinigen Kenntnisse,
Scharffinn, Geistesgegenwart, schnellen Ueberblick, Klar=
heit der Darstellung, Sprachreichthum, kurz alle Eigen¬
schaften in sich, welche der mündliche Vortrag fordert.
Die Welt ist alt genug geworden, um dies zu sernen
Archiv zweiter Band II. Hef
e.
Staatsbibliothek
Max-Planck-Institut für
zu Berlit