Beurtheilung
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und Geschlechtsverhältnissen unter den Bestimmungen des
Rechts, von der Jungfrauschaft und dem Junggesellen=
thum (S. 420), von den gegenseitigen Geschlechtsverhält=
nissen in der Ehe (S. 455-68), von der außerehelichen
natürlichen Befriedigung des Geschlechtstriebes, besonders
von der Nothzucht (S. 468-502). Diese letzte Erör=
terung ist höchst interessant; der Verf. unterscheidet drei
Arten von Nothzucht: 1) den Fall des im willenlosen Zu=
stande des Weibes erschlichenen Beischlafs; 2) den Fall, in
dem der Beischlaf durch anhaltende Aufregung des Ge=
schlechtstriebes, der das Weib nicht entgehen konnte, un=
widerstehlich abgedrungen wird; 3) den Fall des gewalt=
sam erzwungenen Beischlafs. Der Verf. will (S. 479)
auch den zweiten Fall der Nothzucht gleich gestellt haben,
und erzählt den Fall, wo ein Mann seine Magd zu sich
lockte, sie so lange küßte und bearbeitete, bis das Mäd¬
chen gar nicht dem bei ihr aufgeregten Geschlechtstriebe
widerstehen konnte und zuletzt alles sich gefallen ließ. Rec.
kann dieser Ansicht nicht beistimmen. Eine Person, die
durch den moralischen Ekel und Unwillen gegen den Ver=
letzer ihrer jungfräulichen Ehre so ergriffen wird, daß bei
ihr der Geschlechtstrieb noch erwachen kann, ist nicht in
der Lage, in welcher der Gesetzgeber die wahrhaft gewalt=
sam Geschändete, nie Einwilligende betrachtet. Etwas an=
deres würde es seyn, wenn die vielfach betastete und ver=
letzte, immer jedoch gegen diese Betastungen widerstrebende
Person zuletzt so erschöpft und betäubt wird, daß sie gar
nicht mehr weiß, was um sie vorgeht, oder daß sie nicht
mehr physische Kraft hat, zu widerstreben; bei einer solchen
kann man aber den Geschlechtstrieb nicht als aufgeregt an=
sehen. — Sehr überzeugend ist die Ausführung des Verfs.
(S. 480), daß auch an mannbaren, wachenden gesunden
und starken Frauenspersonen eine Nothzucht verübt werden
könne; und ob Schwangerschaft auf Nothzucht besonders
bei einer Jungfrau erfolgen könne. Der Verf bejaht die
Fragen mit Recht; Rec. hätte jedoch ein tieferes Eingehen
in diesen so vielfach bestrittenen Punkt gewünscht; die für
die Verneinung der Frage stimmende Dissertation von
Fürbringer de stupro violento et causis, cur hoc
Vorlage
Staatsbibliothek
Max-Planck-Institut für
zu Berlin