Beurtheilung
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den Ansichten des Volkes über Strafrecht und seinen
Umfang, nur das Erfassen des bisherigen Rechtszustan=
des und der wahren Entwickelung desselben im Leben
das genaue Eindringen in die Culturstufe der Nation
und ihre Bedürfnisse kann den Gesetzgeber zum Ziele
führen. Der Verf. betrachtet (von Seite 18 an) die
verschiedenen Gesetzbücher. Am meisten findet er am
preußischen Landrechte zu tadeln, daß es ihm am leiten=
den Grundsatze fehlt, woraus vorzüglich das Schwan=
ken im Maaßstabe der Strafen sich erkläre. Der Verf.
tadelt auch, daß so oft die Größe der Strafe nur von
einem zufälligen Erfolge abhängig gemacht wird. An
dem österreichischen Gesetzbuche tadelt der Verf. S. 24
die willkührliche Abtheilung in Verbrechen und Polizei=
übertretungen; daß auch die Bestimmung des Straf=
maaßes auf keinem festen Grundsatze beruhe, z. B. weil
Versuch und Vollendung gleichgestellt sind; er tadelt die
6§. 37 u. 42 des österr. Gesetzbuchs, weil darin die Regel:
poena major absorbet minorem, angenommen sey,
und daß Rückfall nicht besonders hervorgehoben ist. Alle
diese Vorwürfe können, wie Rec. glaubt, wohl beseitigt
werden; die Criminalpolitik gebietet dringend eine Abthei=
lung zwischen Verbrechen und Uebertretungen zu machen,
und das würdige System der Einfachheit, die im österr.
Gesetzbuche herrscht, rechtfertigt auch die §§. 137 u. 42.
Frage man doch einmal, zu welchem complicirten Sy=
steine das baiersche Gesetzbuch bei der Lehre vom Rück=
falle käme; auch scheinen die Vorwürfe (S. 32), daß
das österreichische Gesetzbuch den Dolus nur beschrieben
habe; daß die größte Dürftigkeit im allgemeinen Theile
des Gesetzbuchs herrsche, z. B. nichts über Fahrlässigkeit
vorkomme, nicht gerecht zu seyn; denn das Gesetz hat
überhaupt mehr, wohl mit Recht, die allgemeinen Be=
griffe der Doctrin und den Richtern überlassen, da die
Erfahrung gelehrt hat, daß die compendienartigen Be=
griffe unserer neuesten Gesetzbücher den Richter in der
Anwendung auf eine nachtheilige Weise binden. Von
der culpa ist deswegen im ersten Theile geschwiegen,
weil das Gesetz die fahrlässigen Handlungen zu den Po¬
Voge
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