Full text: Neues Archiv des Criminalrechts (Bd. 9 (1826))

der neuesten criminalistischen Schriften. 
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wieder aufzuheben. Soll die Größe der Unsicherheit den 
Maaßstab der Größe des Strafübels gewähren, so würde 
man theils bei den zwar am häufigsten vorkommenden, aber 
ihrer Wichtigkeit nach auf geringerer Stufe stehenden 
Diebstählen die größte Strafe anwenden müssen, theils 
immer nur in concreto nach der Beschaffenheit der Um= 
stände das Maaß des Strafübels finden müssen, welches 
die Unsicherheit aufheben soll. — Bei der Geschichte des 
Strafrechts (S. 31) fragt man billig, warum der Verf. 
nicht eine Darstellung des römischen Criminalrechts gegeben. 
und im deutschen Criminalrechte nicht überall die entschei¬ 
denden Stellen aus den Rechtsbüchern angeführt hat. Ge= 
rade diese Angabe würde dem Lehrer und Zuhörer, um das 
Diktiren zu ersparen, und eine Grundlage über die Ent¬ 
wickelung des Geistes dieser Stellen zu gewinnen, wichtig 
gewesen seyn. Auch kann der deutsche Rechtshistoriker 
schwerlich beistimmen, wenn der Verf. S. 37 den Charak= 
ter des Strafrechts des Mittelalters in eine völlige und 
heillose Vermischung des rein Religiösen und Sittlichen mit 
dem Rechtlichen, Aberglauben, Willkür, Unwissenheit 
und eine grausame Härte setzt." Rec. gehört nicht zu den 
mystischen Historikern, die im Mittelalter alles Heil und 
Gott weiß welche tiefe Jdeen finden; aber wer die Ge= 
schichte des deutschen Criminalrechts genauer in den Quellen 
selbst betrachtet, kann die Entwickelung eines Rechtszustan= 
des nicht verkennen, in welchem das Recht noch weniger, 
als es bei uns oft der Fall ist, der Sittlichkeit freid war 
und wechselseitiges Vertrauen blühte. Man muß vorzüg¬ 
lich aus den Stadtrechten und den Sammlungen alter 
Schöffensprüche und aus Chroniken den Geist des germa= 
nischen Strafrechts studiren, und da, wo der Geist des 
Volkes selbst lebendig sich aussprach, z. B. in den nordi= 
schen Sagen, Achtung vor dem kräftigen und sittlichen 
Geist des Germanen gewinnen. Gegen manche Ansichten 
des Verf., 3. B. in der Geschichte der Strafwissenschaft. 
wäre Manches zu erinnern, z. B. S. 49, wo er von 
Carpzov sagt, daß eine aus Mangel an religiöser Auf= 
klarung und aus Vorurtheilen hervorgehende schreckliche 
Härte ihm den Tadel der spätern Criminalisten zugezogen 
Staatsbibliothek 
Max-Planck-Institut für 
zu Berlin
	        
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