II. Neueste Vorfälle in Neuwied.
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Politik wegen, anheischig machen sollten, und durch fran¬
zösische Execution wirklich dazu angehalten wurden, machte
ihn gefühllos gegen die Leiden seiner, ohnehin durch ihn
(den Fürsten) so unglücklich gewordenen achtungswürdigen
Familie; verleitete ihn zu einer reverswidrigen Handlung
nach der andern, besonders in Ansehung der, der regie¬
renden Frau Fürstin, kraft eben dieses, vom Fürsten theuer
beschwornen, und durch zwey Reichsfürsten garantirten,
vom Kaiser und Reich als gültig anerkannten Reverses,
unläugbar zukommende Mitobsorge über die
standesmäßige Erziehung und künftige Ver¬
sorgung der fürstlichen Kinder.
Doch hier komme ich zu dem Vorfall, der dem Fasse
den Boden ausschlug, und die seltsamen Auftritte ver¬
anlaßte, die das Gespräch des Tages geworden sind. Die
Grschichte ist zwar ein wenig schmutzig, kann aber nicht
mehr verschwiegen werden. Es entdeckte sich nämlich vor
einiger Zeit, daß die französische Ex-Excellenz S. V. die
Krätze, und zwar vom schlimmsten Ursprung, habe. So¬
bald dies mehr als bloßer Verdacht war, bat die Fürstin
ihren Gemahl um sein Selbst und um der ganzen Tisch-Ge¬
sellschaft willen, den ekelhaften Menschen von der Tafel
zu entfernen, um nicht auch angesteckt zu werden, oder
doch vor Ekel zu erkranken. Der Fürst wollte dies an¬
fänglich zwar nicht glauben, besann sich jedoch, ließ die
Sache durch zwey Neuwieder Aerzte untersuchen, und diese
fanden nun wirklich, daß die Krätze von etwas mehr, als
gewöhnlicher Art sey, und warnten zugleich den Fürsten.
La Ville mußte sich hierauf der Tafel und des Zutrittes in
die Zimmer der Fürstin enthalten. Der Fürst dankte nun
sogar für die gehabte Fürsorge, indem sie im Grunde
ihm einen noch größern Gefallen, als sich selbst erzeugt
hätte. Nicht so gut nahm der Franzose diese Ausschlie¬
ßung von der Tafel und der übrigen Gesellschaft auf. Im
Noage
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