272 | XII. Ueber die Ehen der ersten Christen.
Von diesen Philosophen nahmen es die Christen,
bildeten nach und nach ihr Religions=System nach
diesen philosophischen Sätzen, und suchten alsdenn
die nemliche Vorstellungen in ihren heiligen Büchern,
und — was ist natürlicher, als seine Meynung in
irgend einem Buch zu finden, wenn man sie darinn
sucht — fanden sie auch darinn. Jn dieser Denkungs=
art über den Ehestand und über das ehelose Leben
finden wir auch die ersten Keime der nachherigen
Mönchs=Moral.
Aus diesem Verbot der zweyten Ehen in An¬
sehung des Clerus, und aus den überspannten Jdeen
von Keuschheit und Heiligkeit des ehelosen Lebens,
entstand schon im dritten Jahrhundert ein Mißbrauch,
der immer ein Schandflecken für die damalige Geist=
lichkeit bleiben wird. In einem rechtmäßigen Ehe¬
stand seinen natürlichen Trieb zu befriedigen war
nun beynahe allgemein verboten, oder doch wurde
derjenige, der herzhaft und ehrlich genug war, sei=
ner natürlichen Freyheit nicht zu entsagen, und al=
ler Declamationen gegen die zweyten Ehen ungeach=
tet sich doch nach seinen individuellen Umständen rich=
tete, mit scheelen Augen angesehen. Andere, de=
nen mehr daran gelegen seyn mochte, die Gunst die=
ses oder jenes fanatischen Bischofs zu besitzen, richte=
ten sich nach diesen Grundsätzen, und entsagten den
zweiten Ehen. Weil sich aber die natürlichen Triebe
der Menschen nicht nach Concilien=Schlüssen zu rich=
ten pflegen; so suchten sie sich auf eine andere Weise
schadloß zu halten, und verschaften sich Concubinen,
die
Voage
Staatsbibliothek
Max-Planck-Institut für
zu Berlir