Full text: Zeitschrift für österreichische Rechtsgelehrsamkeit und politische Gesetzkunde (Jg. 1828, Bd. 3 (1828))

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Notizenblatt. 
angeführte Ursache über den Mangel an Capitalien für die Fabriken, 
den Handel und den Ackerbau als richtig anerkannt werden muß, 
weil man nähmlich dort nicht jenen Nutzen wie bey dem Staatspa¬ 
pierhandel findet, so scheint doch die Behauptung, daß die Schwie¬ 
rigkeit, Gelddarleihen zu erhalten, allein auf der mangelhaften Rechts¬ 
pflege beruhe, zu gewagt. Die Rechtspflege mag auch die beste seyn, 
so ist sie doch nothwendig an Formalitäten geknüpft. Der Privatgläu¬ 
biger muß sie beobachten, wenn er seinen Schuldschein im gerichtli¬ 
chen Wege zu realisiren genöthiget ist, der Staatsgläubiger kann 
den öffentlichen Schuldbrief beynahe in jedem Augenblicke in bares 
Geld verwandeln; der letztere ist oft bey Behebung der Zinsen von 
manchen Abgaben befreyet, die der Privatgläubiger entrichten muß; 
der Staatsgläubiger kann auf die Vergrößerung seines Capitals in 
Folge der Erhöhung des Courses hoffen, während der Privatgläubi¬ 
ger diese Hoffnung nie nähren kann. So lange diese Umstände beste¬ 
hen, so lange die Interessen, welche der Staat gibt, mit den lan¬ 
desüblichen Zinsen, welche der Private billigerweise zu geben im Stande 
ist, nicht gleichen Schritt halten, sondern höher sind, dürfte wohl 
auch darauf bey jener Frage Rücksicht zu nehmen seyn. 
Was die rechtliche Würdigung der Lieferungsverträge in Staats¬ 
papieren betrifft, so ist es sicher, daß nicht alle diese Verträge Schein¬ 
kaufe sind, denn keiner Gesetzgebung wird es je beyfallen, die Frey¬ 
heit der Paciscenten bey den Kaufverträgen so weit zu beschränken, 
daß die Erfüllung derselben gleich bey dem Abschlusse vor sich gehen 
mußte, und nicht auch nach einer Zeit erfolgen könnte. Eine solche 
Verfügung würde von den heillosesten Zerrüttungen, besonders in 
der Handelswelt, begleitet seyn. Wollte man jedoch derley Lieferungs¬ 
vertrage nur dann für Scheinkäufe erklären, wenn denselben aus¬ 
drücklich die Bedingung beygefügt ist, daß man sie durch Bezahlung 
der Coursdifferenz in Erfüllung bringen wolle, so dürfte die Gränze 
zwischen reellen und Scheinkäufen wohl zu enge gezogen seyn, denn 
welcher vernünftige Mensch wird einen Vertrag errichten, in welchem 
er Staatspapiere verkauft, somit verspricht, sie auch übergeben zu 
wollen, und doch die Bedingung beyrückt, daß er sie nicht übergeben 
wolle, und gar nicht im Sinne habe, den Kaufpreis zu fordern, 
welches unläugbar in dem Versprechen, den Vertrag durch Bezah¬ 
lung der Coursdifferenz zu erfüllen, enthalten ist. So offen unklug 
wird wohl nie ein Scheinvertrag geschlossen, der vielmehr unter den 
verschiedenartigsten und feinsten Formen seine wahre Natur und Be¬ 
schaffenheit verbirgt, und wohin wohl auch manchmahl bey den Lie¬ 
ferungsverträgen der Vorwand, daß man rücksichtlich der Erfüllung 
Max-Planck-Institut für
	        
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