308
Notizenblatt.
angeführte Ursache über den Mangel an Capitalien für die Fabriken,
den Handel und den Ackerbau als richtig anerkannt werden muß,
weil man nähmlich dort nicht jenen Nutzen wie bey dem Staatspa¬
pierhandel findet, so scheint doch die Behauptung, daß die Schwie¬
rigkeit, Gelddarleihen zu erhalten, allein auf der mangelhaften Rechts¬
pflege beruhe, zu gewagt. Die Rechtspflege mag auch die beste seyn,
so ist sie doch nothwendig an Formalitäten geknüpft. Der Privatgläu¬
biger muß sie beobachten, wenn er seinen Schuldschein im gerichtli¬
chen Wege zu realisiren genöthiget ist, der Staatsgläubiger kann
den öffentlichen Schuldbrief beynahe in jedem Augenblicke in bares
Geld verwandeln; der letztere ist oft bey Behebung der Zinsen von
manchen Abgaben befreyet, die der Privatgläubiger entrichten muß;
der Staatsgläubiger kann auf die Vergrößerung seines Capitals in
Folge der Erhöhung des Courses hoffen, während der Privatgläubi¬
ger diese Hoffnung nie nähren kann. So lange diese Umstände beste¬
hen, so lange die Interessen, welche der Staat gibt, mit den lan¬
desüblichen Zinsen, welche der Private billigerweise zu geben im Stande
ist, nicht gleichen Schritt halten, sondern höher sind, dürfte wohl
auch darauf bey jener Frage Rücksicht zu nehmen seyn.
Was die rechtliche Würdigung der Lieferungsverträge in Staats¬
papieren betrifft, so ist es sicher, daß nicht alle diese Verträge Schein¬
kaufe sind, denn keiner Gesetzgebung wird es je beyfallen, die Frey¬
heit der Paciscenten bey den Kaufverträgen so weit zu beschränken,
daß die Erfüllung derselben gleich bey dem Abschlusse vor sich gehen
mußte, und nicht auch nach einer Zeit erfolgen könnte. Eine solche
Verfügung würde von den heillosesten Zerrüttungen, besonders in
der Handelswelt, begleitet seyn. Wollte man jedoch derley Lieferungs¬
vertrage nur dann für Scheinkäufe erklären, wenn denselben aus¬
drücklich die Bedingung beygefügt ist, daß man sie durch Bezahlung
der Coursdifferenz in Erfüllung bringen wolle, so dürfte die Gränze
zwischen reellen und Scheinkäufen wohl zu enge gezogen seyn, denn
welcher vernünftige Mensch wird einen Vertrag errichten, in welchem
er Staatspapiere verkauft, somit verspricht, sie auch übergeben zu
wollen, und doch die Bedingung beyrückt, daß er sie nicht übergeben
wolle, und gar nicht im Sinne habe, den Kaufpreis zu fordern,
welches unläugbar in dem Versprechen, den Vertrag durch Bezah¬
lung der Coursdifferenz zu erfüllen, enthalten ist. So offen unklug
wird wohl nie ein Scheinvertrag geschlossen, der vielmehr unter den
verschiedenartigsten und feinsten Formen seine wahre Natur und Be¬
schaffenheit verbirgt, und wohin wohl auch manchmahl bey den Lie¬
ferungsverträgen der Vorwand, daß man rücksichtlich der Erfüllung
Max-Planck-Institut für