Full text: Zeitschrift für österreichische Rechtsgelehrsamkeit und politische Gesetzkunde (Jg. 1843, Bd. 1 (1843))

Schiestl: üb. d. Haftung d. öff. Handelsgesellschafter n. ihrem Austritte. 383 
und Fristmaß — als Rechtsverzicht ausrufen, — eine Präclusion ohne 
Aufforderung, eine Verjährung ohne Zeittermine improvisiren wollten. 
Man findet es gegenseits inconsequent, daß trotz der constatirten 
Solvez der neuen Handlung der ausgetretene Gesellschafter dem 
Gläubiger noch in Obligo bleiben, und es Letzterem vorbehalten sein 
solle, erst nach langer, Zeit wenn die neue Societät zahlungsunfähig ge= 
worden wäre, am früheren Socius sich zu regressiren. Lege ja doch 
sagt man — der Austretende gerade durch den Austritt den Willen an 
den Tag, die Errungenschaft seines Fleißes nicht fürder den Handels= 
stürmen auszusetzen, — und doch soll er nach Jahren zu besorgen haben, 
mit Forderungen alter Handlungscreditoren beunruhigt zu werden, die 
hätten sie es gewollt, zur Zeit der Dissolution längst ihre Befriedi= 
gung erhalten hätten! 
Hart und unbillig mag diese Zumuthung in manchen Fällen aller= 
dings scheinen; inconsequent allenfalls auch zu den Absichten 
des sich zurückziehenden Geschäftsmannes; nicht so sehr aber — wie mich 
dünkt — zu seiner Handlungsweise. Denn wäre es ihm wirk¬ 
lich Ernst gewesen, aller in Folge des Societätscontractes auf ihm 
lastenden Solidarverbindlichkeiten los und ledig zu werden, so branchte 
er nur das Einverständniß aller Creditoren hiezu einzuholen. Sollte 
dieses etwas absolut Unmögliches sein? Mögen vielleicht die vielfäl= 
tigen Geschäftsberührungen, Wechselcirculationen, Scontrationen rc., 
sogar schon die Kenntniß der sämmtlichen, jeweiligen Gläubiger 
einer Handlung bedeutend erschweren, so läßt sich doch annehnen, 
daß es über kurz oder lang endlich möglich sein muß, dieselben, zumal 
mit Zuhilfnahme öffentlicher Ausschreibungen, Rundschreiben, Oblato¬ 
rien rc., ausfindig zu machen, mit ihnen zu liquidiren, und sie ent= 
weder hintanzufertigen, oder aber die durch den aufrechten Stand 
des Geschäftes zur Fortgebung des Credites sich bestimmt Findenden 
zu einer förmlichen Verzichtserklärung, Umschreibung der Schuldur¬ 
kunden rc. auf die neue Dita zu vermögen, endlich bezüglich des Restes 
etwa, wofür dermal wegen unüberwindlicher Hindernisse sein Obligo 
reservirt bleiben sollte, vis-à-vis des verbleibenden Socius sich zu decken. 
Manche Schwierigkeiten, Zeit= und Kostenaufwand mag eine 
solche Operation bei größerer Geschäftsausdehnung verursachen. Allein 
zumal dem 
es ist kein vernünftiges Rechtsaxiom, dem Schuldner 
die Abstrei= 
unter dem strengen Bande der Solidarität Verhafteten- 
fung seines Obligo auf Kosten wohlerworbener Rechte bequem zu machen. 
Uti lingua nuncupassit, ita jus esto! Nur das positive Recht kann 
aus Rücksichten der Billigkeit oder gewisser Geschäftsverhältnisse 
die Last des Verpflichteten durch Zulassung von Verjährungsfristen 
erleichtern, dieselben aber durch Creirung vermutheter Rechtsverzichte 
und stillschweigender Willenserklärungen suppliren zu wollen, bleibt 
immer ein bedenkliches Risico willkürlichen Eingriffes in das Heilig= 
thum der Verträge, woraus die vielköpfige Hydra schwankender Muth= 
maßungen und Deutungen für immer verbannt bleiben sollte. 
Max-Planck-Institut für
	        
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