Full text: Zeitschrift für österreichische Rechtsgelehrsamkeit und politische Gesetzkunde (Jg. 1832, Bd. 2 (1832))

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Graßl: über Pestvergehen. 
daß der Gesetzgeber einerseits diese Handlungen mit gleicher 
Strenge behandelt, wie Verbrechen, und dennoch andererseits 
sie noch in einem früheren Alter für zurechnungsfähig erkläret, 
als dieses bey Verbrechen der Fall ist. Wenn irgend wo, so ist 
hier die Anwendung der käftigsten Mittel zur Abhaltung durch 
die Staatsklugheit dringend gebothen. 
Uebrigens geben wir aus den oben angeführten Gründen 
gerne so viel zu, daß in Hinsicht solcher Fragen, zu deren Be¬ 
antwortung kein allgemeiner Grundsatz des Strafrechtes auf¬ 
zufinden ist, die Analogie des Criminal=Rechtes zu Hülfe ge= 
nommen werden muß, z. B. bey der Frage über die rechtliche 
Kraft der Beweise, über die bey der Fällung des Urtheiles zu 
beobachtenden Regeln u. s. w. Aber dort, wo wir bestimmte, 
erweislich im Gesetze liegende, allgemeine Grundsätze für die 
Lösung gewisser Fragen haben, verstöße es gegen die ersten 
Regeln der Auslegung, diese Grundsätze zu verlassen und auf 
Analogien sich zu werfen. 
Noch muß hier Folgendes bemerkt werden. Wenn nähm¬ 
lich eine Person unter vierzehn Jahren vorsätzlich die Vor¬ 
schriften des Pest=Patentes übertritt, so kann ihr wenigstens 
der böse Vorsatz nicht zugerechnet werden, sondern bloß ein 
Versehen. Denn es ist allgemeiner Grundsatz unseres 
Strafrechtes, daß böser Vorsatz erst in einem Alter von vollen¬ 
deten vierzehn Jähren zugerechnet werden könne. Dieß ergibt 
sich aus den §§. 1 und 2 des Gesetzes über Verbrechen. Der 
erste Paragraph sagt: „Zu einem Verbrechen wird böser Vor= 
satz erfordert.« Der zweyte fährt dann fort: »Daher wird die 
Handlung oder Unterlassung nicht als Verbrechen zugerechnet, 
—— 
d) wenn der Thäter noch das vierzehnte Jahr nicht 
zurückgelegt hat.« Das Wort »dahera beweiset nun klar, daß 
der Gesetzgeber einem Unmündigen ein Verbrechen darum nicht 
als solches zurechne, weil er nicht will, daß ihm böser Vorsatz 
imputirt werde. Es ist also das Alter der Unmündigkeit ein hö¬ 
herer allgemeiner Grund, der überhaupt die Zurechnung des 
bösen Vorsatzes ausschließt. 
Max-Planck-Institut für
	        
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