Full text: Zeitschrift für österreichische Rechtsgelehrsamkeit und politische Gesetzkunde (Jg. 1844, Bd. 3 (1844))

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Ueber die französische Gefängniß=Reform. 
genmerk gerichtet. Wenn es nämlich nicht sicher ist, daß das System der vereinzel¬ 
ten Anhaltung mehr als jedes andere System die Gefangenen bessere, so ist es we¬ 
nigstens sicher, daß es sie verhindert schlechter zu werden, als sie waren, und dies 
ist ein ungeheurer Erfolg, das einzige Ziel, das sich kluger Weise eine Regierung 
vorsetzen sollte. Unsere jetzigen Gefängnisse bessern nicht nur nicht, sondern sie ver¬ 
schlechtern; dies ist außer Zweifel. Sie geben der Gesellschaft viel gefährlichere 
Bürger zurück, als sie daraus erhalten hatten. Dies wird überall so sein, wo die 
Sträflinge sich einander mittheilen können; das einzige System, welches diese Mit¬ 
theilungen vollständig und vorzüglich andauernd hintanhält, ist das System der ver¬ 
einzelten Haft. Dies ist die erste Gewißheit. Eine zweite besteht darin, daß dasselbe 
unter allen Gefängnißsystemen das geeignetste ist, um auf die Einbildungskraft der 
Staatsbürger einen lebhaften Eindruck zu machen und tiefe Spuren in dem Ge¬ 
müthe der Sträflinge zurückzulassen. Mit anderen Worten, kein anderes System 
ist so geeignet, durch die Furcht, welche es einflößt, von ersten Verbrechen abzu¬ 
halten und Rückfällen vorzubeugen. 
„Die Einzelhaft hindert die Sträflinge nicht blos, mit einander zu sprechen, 
sondern auch, sich zu sehen. Sie kennen sich gegenseitig nicht; sie wissen nicht, mit 
wem sie zu gleicher Zeit unter Einem Dache wohnen. Dies hat große Folgen. 
Man muß anerkennen, daß gegenwärtig unter uns eine organisirte Gesellschaft von 
Verbrechern besteht. Alle Mitglieder dieser Gesellschaft verstehen sich unter einan¬ 
der; sie stützen sich Einer auf den Anderen; sie verbinden sich täglich, um den 
öffentlichen Frieden zu stören. Sie bilden eine kleine Nation inmitten der großen. 
Fast alle diese Leute haben sich im Gefängnisse kennen gelernt, oder finden sich dort 
wieder. Die Mitglieder dieser Gesellschaft zu zerstreuen, das ist die Aufgabe, um 
die es sich gegenwärtig handelt. Man muß dem Uebelthäter diese Wohlthat der 
Vergesellschaftung entziehen, um so viel als möglich zu bewirken, daß jeder von 
ihnen aklein gegenüber allen ehrlichen, zur Vertheidigung der Ordnung verbunde¬ 
nen Bürgern dastehe. Das einzige Mittel, diesen Zweck zu erreichen, besteht darin 
daß man jeden Sträfling abgesondert einsperrt, so daß er keine neuen Genossen¬ 
schaften anknüpfen kann und diejenigen, welche er außer dem Gefängnisse zurück¬ 
gelassen hat, aus den Augen verliert. 
„Diese Vorzüge, meine Herren, haben Ihrer Commission wichtig genug ge¬ 
schienen, um sich gleich der Regierung zu Gunsten dieses Systemes auszusprechen. 
Bevor aber die Commission der Kammer die Annahme desselben vorschlägt, hält 
sie es für ihre Pflicht, Sie von den Haupteinwendungen, welche gegen dieses System 
erhoben wurden, und von den Erwiederungen derselben in Kenntniß zu setzen. 
»Zugegeben, daß das System der Einzelhaft glückliche Erfolge gewähre, wird 
es dem öffentlichen Schatze nicht zu schwere Lasten auferlegen? Ein Gefängniß, 
wo jeder Sträfling abgesondert einen Raum bewohnt, in dem er arbeiten und Jahre 
zubringen kann, ohne daß seine Existenz dadurch gefährdet werde, muß sehr bedeu¬ 
tende Baukosten verursachen. Ueberdies muß die Erhaltung eines solchen Gefäng¬ 
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Max-Planck-Institut für
	        
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