Notizenblatt.
146
gewissen Puncte erfreulich erscheinen mag, in so weit sich
hung und bis zu einem
Theilnahme an Recht und Gesetz, ein weithin ins Volk
nämlich in ihr lebendig
gedrungener Rechtssinn, und eine rühmliche Erhebung kundgeben über jene betru¬
bende Gleichgiltigkeit sowohl, welche eine Aenderung der mit dem Staatsleben so
innig verwebten und in die sittlichen Zustände des Volkes so vielseitig eingreifenden
Strafgesetzgebung mit derselben stumpfsinnigen Gelassenheit an sich vorübergehen
läßt, wie etwa das Erscheinen eines neuen criminalistischen Lehrbuches, als etwas
was nur für den Mann vom Fache von Interesse sei, den es in die lästige Noth¬
wendigkeit versetze, sich mit Verlassung des langgewohnten Geleises in neue For¬
men hineinschmiegen zu müssen; — als auch über jene hastige Reformirungs¬
wuth, welche im nimmer ruhenden Drange nach dem Besseren, auch das Gute in
dem Bestehenden verkennt, und leider! gewöhnlich nur zum Zerstören, nicht auch
zum Schaffen Rath weiß.
Allein diese Erscheinung hat auch ihre tief betrübende Kehrseite für den Freund
deutschen Rechtes, einer nationalen Gesetzgebung; mag er nun mit
unserem Herrn Verfasser stark genug an Hoffnung sein, um den Gedanken eines
allgemeinen deutschen Strafgesetzbuches für einen solchen zu halten, dessen
Verwirklichung möglich, ja sogar zu erwarten ist (S. 5); oder mag er seinen
Wünschen das näher liegende Ziel setzen, es möge in Deutschland, wenn gleich nur
durch Particulargesetzgebungen und also auch mit localen Verschiedenheiten Ein
deutsches Recht bestehen; es möge unser Volk sich doch endlich in der wichtig¬
sten Phase des Volkslebens, in seiner Rechtsgestaltung, zur nationalen
Selbstständigkeit erheben, wozu es — so reich und so eigenthümlich an sitt¬
licher Kraft und tiefer Gemüthlichkeit, mit seinem lebendigen Rechtsgefühle und
seiner Freude an wissenschaftlicher Gründlichkeit, mit seiner Ueberzeugungstreue
und frommen Anhänglichkeit an seine geschichtlichen Erinnerungen — vor allen
Anderen berufen sein sollte!
Wer würde erwarten, daß dieser Wunsch von einem ausgezeichneten Stamme
deutscher Zunge nicht getheilt werde? daß die Vertreter dieses Stammes gegen die
ihnen zur Berathung vorgelegene Absicht ihrer deutschen Regierung, das in den
Zeiten auswärtiger Zwangsherrschaft aufgedrungene fremde Recht mit einem auf
vaterländische Grundlagen gebauten zu ersetzen, entschieden protestiren werden?-
Die schmerzliche Antwort auf diese Fragen liefert der Eingangs erwähnte Land¬
tagsbeschluß; denn vin dieser Abstimmung liegt das betrübende Resultat: 1) daß
die rheinischen Stände auf gar kein Strafgesetz sich einlassen wollen, welches
auf deutsch rechtlichen Principien beruht; 2) daß sie sich höchstens eine Revi¬
sion ihres Code penal gefallen lassen wollen" (S. 15).
Von diesem Standpuncte aus tritt der Herr Verfasser der angeführten Abnei¬
gung der Rheinpreußen entgegen, und sein Werkchen dürfte als das Votum eines
ausgezeichneten Praktikers und theoretisch=hochgebildeten Criminalisten in demjeni¬
gen Lande, an welches das Büchlein eigentlich gerichtet ist, um so mehr einen
Max-Planck-Institut für