Full text: Archiv für die Rechtspflege und Gesetzgebung im Großherzogthum Baden (Bd. 3 (1834))

v. Kettennaker, Gutachten. 
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verpflichten sich, dieses Haus den künftigen Ehegatten durch 
eine anderweitige Anordnung, die sie dafür entschädigen wird, 
inner Jahresfrist zu ersetzen. Diese Anordnung und die dar¬ 
aus entspringende Entschädigung sollen als eine von den 
Eltern des Bräutigams gemachte Schenkung in der Weise an= 
gesehen werden, als wenn diese Schenkung dem gegenwärti= 
gen Akte einverleibt wäre. Die Eltern des Bräutigams sind 
schuldig, den künftigen Ehegatten den Miethzins der Woh= 
nung, die sie in besagtem Hause einnehmen, bis zu dem Zeit¬ 
punkte zu bezahlen, wo man über erwähntes Arrangement 
nicht blos unter sich im Einverständniß mit allen Theil¬ 
nehmern am gegenwärtigen Vertrage übereingekom¬ 
men, sondern wo es auch in Vollzug gesetzt seyn wird." 
Man sieht, daß dieses Uebereinkommniß und die Festsetzung 
der Summe, die den künftigen Ehegatten für und statt des 
Hauses gegeben werden soll, einestheils bis nach der Hochzeit 
vertagt, anderntheils dem freien Ermessen der Parthien über¬ 
lassen ist. Dergestalt sind die Parthien im Stande, die frag= 
liche Summe sey es auf 10,000 oder 100,000 fr. festzusetzen 
und die Lage der Ehegatten nach Belieben zu verändern. 
Diese Befugniß, die man den Parthien gelassen hat, läuft 
dem Buchstaben und dem Geist des Gesetzes zuwider, so wie 
wir es oben auseinander gesetzt haben. Daher ist diese Zu= 
satzclausel nichtig und muß als nicht geschrieben angesehen 
werden. Das Haus ist Eigenthum der jungen Eheleute ge= 
mäß dem Art. 4 des Ehevertrages. 
Man wird sagen, daß diese Ansicht zu streng sey, und daß 
nach Art. 1157 des code civil man eher den Inhalt des Ne¬ 
ben= und Gegengedings in dem Sinne auslegen müsse, nach 
dem dasselbe eine Wirkung hervorbringen kann. — Ich würde 
gerne dieser Meinung beipflichten, weil die Wittwe und die 
Kinder des jungen Ehegatten mir keinerlei unmittelbares In¬ 
teresse zu haben scheinen, das Haus in natura zu besitzen. 
Allein ich sehe die Möglicheit nicht ein, diese Ansicht einer¬ 
seits mit dem Prinzip der Unabänderlichkeit der Eheberedun¬ 
gen und mit dem wohlverstandenen Jnteresse der Wittwe und 
Kinder des jungen Ehegatten, andererseits mit dem Text des 
Vertrages und den Absichten, die die Parthien darin aus¬ 
drückten, in Einklang zu bringen. Die hier in Frage stehen¬ 
den Prinzipien und das Interesse der neuen Familie erheischen 
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Archiv f. Gesetzgebung rc. 3. Bds. 4. Heft. 
Max-Planck-Institut für
	        
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