Hauptblatt.
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Das Bedürfniß nach einer umfassenden Sammlung der bestehen=
den Gesetze über die Armenpflege in der k. k. Haupt= und Residenzstadt
Wien war nach des Verfassers eigener Angabe, der Grund der Bear=
beitung des erstgenannten Buches. Die Tendenz desselben bezeich¬
net er in der Vorrede als eine rein praktische „mit Ausschluß jeder Art
von Projectirung" und gibt zugleich eine kurze geschichtliche Stati¬
stik (oder richtiger gesagt geschichtliche Darstellung) der Armenan¬
stalten in England, Preußen, Rußland, Frankreich und Deutschland
nach dem Werke „das Armenwesen nach allen seinen Richtungen als
Staatsanstalt und Privatwerk bearbeitet nach M. T. Duchatel von
Neuville." In der Einleitung wird der Begriff des Armenwesens, der
Armuth, ihrer Entstehungsarten und die Mittel der Vorbeugung und
Abhilfe dargestellt; hierauf unter dem besonderen Titel »die Organi¬
sation der Armenpflege" zu den einzelnen Abschnitten „von der Leitung
der Armenpflege," „Erfordernisse zur Erlangung einer bleibenden Un¬
terstützung oder gänzlichen Versorgung," »Arten der aus dem Fonde
fließenden Unterstützungen," „Dauer, Einstellung und Aufhören der Be¬
theilungen," »Von dem ämtlichen Verfahren in Armensachen" übergegan¬
gen und mit einem Anhange „über das Versorgungsinstitut der Bürger
Wiens," so wie mit einigen Tabellenmustern geschlossen.
Gehen wir an eine specielle Prüfung dieses Werkes, so ist es schon
der Titel desselben, mit dem wir uns nicht einverstanden erklären kön¬
nen, denn nach der Einrichtung des Armenwesens in Oesterreich hat vor
Allem der, auch von dem Verfasser (S. 65 Anmerkung) anerkannte
Grundsatz zu gelten, „daß Jeder von der Gemeinde zu versorgen ist, der
er angehört," ja der Verfasser definirt selbst die Zuständigkeit als „die
Ortsangehörigkeit rücksichtlich des Aufenthaltes, der Conscription
und der Armenversorgung." Daraus ergibt sich, daß bei der Ar=
menversorgung zugleich und sogar zunächst die Zuständigkeit des zu
versorgenden Individuums in Frage kommt, daß also in einer Darstel¬
lung der Armenpflege die Abhandlung über die Zuständigkeit oder das
Heimathsrecht einen wesentlich-integrirenden Bestandtheil bilde und kei¬
neswegs als eine nur nebenher zu beachtende Sonderheit anzusehen sei.
Die Richtigkeit dieser Bemerkung erweist sich aber schon an der Art
und Weise, wie der Verfasser selbst seine Abhandlung von der Zustän=
digkeit mit dem übrigen Stoffe verwebt hat.
Max-Planck-Institut für