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überhaupt das Moment der Verführung beachten,
oder ihr noch gar Vortheile deßwegen angedeihen las=
sen wollen. Erwägt man dieses Alles; so ergiebt
sich, obwohl einige Practiker nach gemeinem Rechte
anderer Meinung sind*), für Württemberg die
nothwendige Schlußfolge: daß die Anwendung der
fraglichen Bestimmung (§. 5.) auf eine im Ehebruche
Geschwächte, wenn dieselbe wissentlich mit einem Ehe=
manne zu thun hatte, der Jntention des Gesetzgebers
und den klaren Worten des Gesetzes widerspricht?).
Aus diesem Grunde, und weil nur ein Fall be¬
kannt ist, in welchem das vormalige Herzogl. Hofge=
richt obige Frage bejahte, kann von einem Gerichts=
gebrauche, welcher die bejahende Entscheidung jener
Frage zu begründen vermöchte, nicht die Rede seyn.
Das nach Dinkelsbühl erstattete Gutachten der Ju=
ristenfacultät zu Tübingen kann nicht beachtet wer=
den, denn in Dinkelsbühl konnten die Württem¬
bergischen Gesetze nie zur Anwendung kommen. Und
wenn auch das von der genannten Facultät am 22.
Junius 1803. über die vorliegende Frage erstattete
weitere Gutachten an ein iuländisches Gericht gegan¬
gen seyn sollte; so könnte dasselbe doch eben so we¬
nig als jene hofgerichtliche Sentenz einen Gerichts¬
gebrauch begründen.
Nur in dem Falle läßt sich die Verpflichtung
des Ehemanns zu Bezahlung des Kränzchens an die
von ihm verführte unverleumdete Weibsperson voll=
kommen rechtfertigen, wenn sich der Stuprator, um
seinen Zweck zu erreichen, für ledig ausgegeben, und
die von ihm hierauf zu Fall gebrachte Weibsper=
son wirklich in die irrige Meinung versetzt hatte, daß
er ledig sey. Denn — so wenig in diesem Falle die
Strafe des Ehebruchs gegen die also Geschwachte er=
kannt werden kann; eben so wenig können dieselbe
1) Boehmer Observ. ad Carpzow Pract. rer. crim. Quaest.
LXVIII. Obs. 7.
2) S. auch Bardili a. a. O. Cap. III. membr. 5. Nr. 36.
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Max-Planck-Institut für
zu Berlin
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