Max-Planck-Institut für
Geschichte
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viel Principia aus dem Römischen Rechte entlehnet, dieses reizete die Neube¬
gierde des sich verfeinernden Geschmacks, es ward solches ebenfalls bald aufge=
suchet, und in dem Freybergischen Gerichts=Stuhle eingeführet, und so wenig
deßen Grundsätze auch auf die deutsche Staats= und Gerichts=Verfaßung über=
haupt und besonders paßeten, muß man ihm doch so viel Gerechtigkeit wieder=
fahren laßen, daß seine überdachte und vielfältig verbeßerte Grundlage sehr viel
zu Einführung richtigerer und freyerer Begriffe über die Natur der Regierung
und Verwaltung der Gerechtigkeit eingeflößet hat.
Hieraus ist nun leichte zu erachten, daß nach Annehmung des Päbstlichen
und Römischen Rechts zu Freyberg, das Stadt=Recht dieses Orts, mit ganz
andern und mehr partheyischen Augen, als zuvor angesehen worden ist, und die
Folgen wurden auch bald sichtbar, indem man forthin aufhörete, eigene neue
Rechts=Satzungen zu machen, da über die noch unentschiedenen und vom neuen
auflebenden Rechts=Fälle die in einer feinern Gestalt auftretenden fremden Rechte
mit weit leichterer Mühe und mehrerer Sicherheit zu Rathe gezogen werden
kunnten. Damit hörete nun die Vermehrung des Stadt Recht=Buchs nicht
nur auf, sondern es verlohre sich aus solchem auch unvermerkt der Gebrauch ver=
schiedener seltsamer, unbilliger und grausamer Gewohnheiten, worunter wir mit
Rechte den Beweis durch den Zweykampf zählen, davon das Stadt=Recht
eine lange Anweisung giebet, welchen aber, so wie überhaupt, also zu Freyberg beson=
ders das Päbstliche Recht aus den Gerichten verdrungen hat. Aus solcherley Neue=
rungen folgte bald eine gar merkliche Veränderung in der Form des Gerichts¬
Stuhls. Vom Jahre 1307. an, hatte man solchen unverändert nach der von
Marggraf Friedrichen, dem Freudigen, hierzu gegebenen Vorschrift bestellet.
Hierdurch kamen alle Jahre sechs neue Bürger hinein und eben so geschwind wie=
derum heraus, mehrentheils ohne Hofnung, jemals wiederum hinein zu kom=
men, und wenn die sechs wählenden sich etwa auch bald verlohren, so kunnte es
nicht fehlen, es musten iezuweilen in dem Raths=Stuhle Männer sitzen, welche
theils ungeübt, theils ganz unerfahren in der Gerichts=Verfaßung waren.
Nun blieb dieser Fehler zwar so lange unmerklich, als das einheimische Recht
noch in voller Gültigkeit war. Denn es war dieses so einfach, daß auch der
gemeine Mann sich, ohne besondere Erklörung, drein finden kunnte. Allein,
nunmehro machten die angenommenen Päbstlichen und Römischen Rechte die
Rechts=Händel, nicht nur künstlicher, sondern auch jezuweilen verwirrter, die
Entscheidungen wurden Leuten schwer und wohl gar unmöglich, welche niemals
darinne sich geübet hatten, die Geschäfte häufeten sich, nachdem man die Pro¬
ceße schriftlich zu verlängern gelernet hatte, und es erheischeten solche auch eine
beständige Gegenwart der Richter, welche sich sonst nur zu gewißen Tagen ver=
sammleten, nunmehro aber durch eine anhaltende Uebung beßer zu einer künst=
lichen Rechts=Wißenschaft ausbilden musten.
Die