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Rede für denselben.
nicht in den Umständen einer bey den Stoikern
erlaubten Entleibung befunden haben, und er
soll noch im Stande gewesen seyn, ein nuzli=
ches Glied in der Kette aller Dinge zu blei¬
ben. Hierauf dient zur Antwort, daß Cato
am besten seine Umstäͤnde muͤsse gekennt haben,
deren Beurtheilung sein Zeno ihm gänzlich
überlassen hatte; und daß es gar nicht deutlich
sey, worinn er denn noch der Welt hatte nu¬
zen können. Die Beredsamkeit eines Cicero
war viel vermögender das Joch des Cesars zu
mildern, als die strenge Weisheit eines Cato.
Deswegen hat Cicero, als ihm von vielen an=
sehnlichen Leuten vorgeworfen wurde, warum
er sich gleichfalls nicht entleibt hätte? nichts
anders zu antworten gewust, als daß solches
seine Umstände nicht erfodert hätten, daß aber
Cato schlechterdings schuldig gewesen wäre, sein
tugendhaftes Leben auf die vollbrachte Art zu
enden. Es konnte auch das Blut des Cato,
das unaufhörlich um Rache rufte, ein Lösegeld
der verlornen Freyheit genennt werden; wie
denn dieses unschuldige und edle Blut nicht
wenig zu der Ermordung des Cesars beygetra¬
gen hat. Ganz Rom erblaßte, und zwar mit=
ten unter dem Geprange des Triumphs, als es
einer Schilderey ansichtig wurde, so die schmerz¬
liche Todesart des tugendhaften Cato herzrüh¬
rend vorstellte. Es ist wahr, daß das Ende
des Cesars nicht das der Tyranney gewesen ist.
Muß man aber alle Unternehmungen nach dem
Ausgange beurtheilen?
Seneca
Max-Planck-Institut für
uro