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Rede für denselben.
bilige Muthmassung nennen. Wir bitten Jhn
ergebenst, nach Belieben zu entscheiden, was
man der seinigen für einen Namen geben soll?
Mir deuchts, daß man hätte könne geschehen
lassen, daß Cato von Christen und Heyden
übereinstimmig für ein Muster der Tugend ge=
halten würde; und daß es eben nicht nöthig
gewesen wäre, diejenige Vollkommenheit in
der Großmuth eines armen Heyden zu verlan=
gen, an der es oft erleuchteten Christen fehlt,
und welche ohne die Wirkung des heiligen Gei=
stes niemals seyn kann.
Alle diejenigen Einwürfe, die noch ferner
aus den Stoischen nicht wohl begriffenen Lehr=
sagen geholt werden, um den Ruhm des Cato
zu verdunkeln, sind schon oben beantwortet
worden. Man könnte nicht ohne Weitläuf=
tigkeit die Sachen umständlicher untersuchen.
Es mag demnach genug seyn, allhier nur noch
zu bemerken, daß die Stoiker alleit gelehrt ha=
ben, daß es einem Weisen frey stehe, nach vor=
kommenden, und seiner egenen Beurtheilung
überlassenen Unständen, in dem Gefängniss
und in der Kette aller Dinge zu bleiben, oder
sich von beyden loßzu machen. Alle Weisen
sind noch jezund der Meinung, daß es eine
Schwachheit sey, seine Fessen durch die Län=
ge der Zeit abzunuzen, wenn man im Stande
ist, derselben auf eine erlaubte Art loß zu wer=
den. Man hat oben erwiesen, daß sich Cato
auf eine unter den Stoikern erlaubte Weise
in die Freyheit gesezt hat. Er soll sich aber
nicht
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