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So verschieden nun auch die Ansichten der Rechts¬
lehrer über die Frage sind: von welchen Fällen die Worte
dieses Artikels:
„von Gütern, der er sonst ein nächster Erbe ist"
verstanden werden müssen,
vergl. Wächter, Strafrecht. Bd. 2. S. 314.
Konopack, Beiträge zur Auslegung des
165. Art. der P.=G.=O. im N. Archiv
des Cr.=Rechts. Bd. VI. S. 264 u. f.
so dürfte wohl die Erklärung die richtigste sein, daß der
Gesetzgeber dadurch denjenigen habe bezeichnen wollen,
welcher von den Gütern eines noch Lebenden, den er
aber zu beerben, gegründete Hoffnung hat, Etwas ent¬
wendet. In der Bambergensis und Brandenburgensis
heißt es auch:
„von Gütern, der er sunst ein nächster Erbe
were" — d. h. sein würde; also nicht schlecht¬
hin: „ist.
Die Verfasser dieses Gesetzes dachten höchstwahr¬
scheinlich an die suos heredes, von denen §. 2. J.
de hered. qual. et differ. sagt:
„vivo quoque patre quodammodo domini
existimantur"
oder an die Rechte der nächsten deutschen Erben, von
denen der Sachsenspiegel I. 52. sagt:
„die des Gutes nach dem Tode wartend sind"
Martin, Criminalrecht §. 147., welcher gleich¬
falls die Stelle des angeführten Artikels der
Carolina auf Entwendungen bezieht, welche
dem präsumtiven nächsten Erben wider
seinen künftigen vermuthlichen Erblasser
zur Last fallen.
Max-Planck-Institut fü