Full text: Jahrbücher des Großherzoglich Badischen Oberhofgerichts (N.F. Jg. 9 = Jg. 16. 1845/46 (1847))

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dem die Bitte um Wiederherstellung gegen die Versäumung 
der Fristen für nicht begründet erachtet wurde. 
Dagegen wurde die Oberappellation ergriffen, und zur 
Begründung der Beschwerde ausgeführt: Nach einem seit un¬ 
denklichen Zeiten in der Praxis geltenden Grundsatz, welcher 
hier durch eine neue Lehre umgestoßen werden solle, laufe 
den Armenparteien keine Frist, sie seien stets gegen den Ab¬ 
lauf der Nothfristen zu restituiren. Es verstoße aber dieser 
neue Grundsatz auch gegen das Gesetz; daß die Armuth 
für höhere Gewalt im Sinne der Prozeßordnung gelten 
müsse, sei überhaupt und namentlich, weil über den Fristen¬ 
lauf in Armensachen die Gesetzgebung schweige, nicht zu 
bezweifeln und noch nicht bezweifelt worden. Wenn nämlich 
das Gesetz verlange, daß der Richter im Prozeßverfahren 
die Parteien belehren müsse, namentlich über Fatalien, so 
unterstelle es, daß man denselben Rechtsgelehrsamkeit nicht 
zumuthen könne. Wenn es aber auf der andern Seite die 
Unterlassung der Belehrung nicht für einen Restitutions¬ 
grund ansehe, so unterstelle es, daß die Partei Anwälte 
befragen könne und müsse. Da nun der Arme, wie das 
Gesetz durch die Aufstellung der Offizialanwälte anerkenne, 
freiwillige Hülfe eines Anwaltes nicht finde, so ergebe sich 
von selbst, daß man hier das Princip der höhern Gewalt, 
der Unmöglichkeit, in Anwendung bringen müsse. 
Durch oberhofgerichtliches Urtheil vom 3. November 1846 
wurde die Verwerfung der Appellation bestätigt — aus 
folgenden Gründen: 
„Die Prozeßordnung verleiht im 4. Titel vom Armen¬ 
recht §§. 160—167 den Armenparteien keine andere Rechts¬ 
wohlthat, als daß sie Zulassung zum Armenrecht und damit 
Befreiung von der Entrichtung der Gerichtssportel= und 
Stempelgebühren, so wie die Aufstellung eines Offizialan¬ 
waltes verlangen können, wenn sie nicht im Stande oder 
nicht befugt sind, ihre Sache selbst vor Gericht zu vertreten, 
und es besteht weder ein Gesetz noch ein Gerichtsgebrauch, 
Max-Planck-Institut für
	        
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