Civilprozeßordnung. III. Buch. Rechtsmittel.
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3) Zu §. 516:
a) Motive: „Die Freiheit und Unbeschränktheit der Würdigung zum
Zwecke der Aufhebung eines auf Verletzung des Gesetzes beruhenden Ur
theils wird durch die Vorschriften über das Verfahren gesichert. Entsprechend
den bei der Berufung eingehaltenen Grundsätzen, auf deren Darlegung hier
verwiesen werden kann, ist für die wirksame Einlegung der Revision eine
Begründung derselben in dem zuzustellenden Schriftsatze nicht erforderlich.
Die zur Begründung des zu stellenden Antrags auf Aufhebung des Ur
theils beizufügende Rüge der stattgehabten Gesetzesverletzung ist ebenso wie
die Anzeige des zu stellenden Antrags nur vorbereitender Natur (§. 492
= 516); sie kann ohne Nachtheil für den Erfolg des Rechtsmittels unter
bleiben und bei der mündlichen Verhandlung geändert oder ergänzt werden.
In der Natur der Sache liegt es, daß die Partei, um den Erfolg des
Rechtsmittels zu sichern, den Punkt, an welchem das Urtheil angreifbar ist,
aufsuchen und bei der mündlichen Verhandlung hervorheben wird. Sie
kann dies ohne jede Schranke ausführen und eine vollständige Erörterung
der Sache, für welche auch das Gericht zu sorgen hat, wird dahin führen,
daß keine Gesetzesverletzung, welche dem Urtheil zu Grunde liegt, unerörtert
bleibt. Es genügt aber der Vortrag des Sachverhältnisses mit dem darauf
gestützten Antrage, um jede wirklich vorliegende Gesetzesverletzung zur Ent
scheidung des Richters zu bringen: eine bestimmte Formulirung der angeb
lich verletzten Rechtsnormen ist nicht erforderlich. Deshalb ist es nur that
sächlich richtig, zu sagen, daß die Gesetzesverletzung, welche die Aufhebung
des Urtheils begründet, von der Partei gerügt wird. Rechtlich ist die
Aufhebung des Urtheils von einer ausdrücklichen Rüge eben so unabhängig,
wie es die Zurückweisung der Revision von einer besseren Begründung des
angefochtenen Urtheils durch den Revisionsbeklagten ist, immer vorausgesetzt
den Vortrag des Sachverhältnisses durch die Parteien.
„Eine Einschränkung dieser Grundsätze liegt nicht darin, daß Verletz
ungen von Vorschriften des Verfahrens der ausdrücklichen Rüge bedürfen,
wenn das Revisionsgericht faktisch in die Lage gesetzt werden soll, dieselben
zu berücksichtigen. Dies hat vielmehr seinen Grund in der vorgesehenen
Heilung solcher Verletzungen (§. 497) und außerdem darin, daß manche
Verletzungen dieser Art durch Thatsachen begründet werden müssen, welche
nur zum Nachweise der Verletzung Bedeutung haben und ohne die Rüge
der Verletzung nicht verständlich sind.
„Der §. 492 (= 516) behandelt den Inhalt der Revisionsschrift ge
sondert für die verschiedenen Richtungen, welche die Begründung der Revi
sionsanträge einschlagen kann.