Full text: Civilprozeßordnung für das Deutsche Reich nebst Einführungsgesetz (2)

I. Abschn. Verf. vor den Landgerichten. 10. Tit. Beweis durch Eid. §. 437. 353 
bunden, welche in dem Beweisbeschlusse enthalten ist; er kann die eidliche 
Erhärtung einer für den Beweissatz nur mittelbar erheblichen Thatsache 
verlangen, wenn eben die Feststellung dieser Thatsache ihm die Möglichkeit 
gewährt, sich die Ueberzeugung von der Wahrheit oder Unwahrheit der un 
mittelbar erheblichen Thatsache zu verschaffen (vgl. nordd. Prot. II 
S. 1030). 
„Für den richterlichen Eid besteht die Beschränkung des §. 397 nicht. 
Dem Richter steht es frei, wenn er das Glauben, das Nichtwissen oder das 
Nichtglauben einer Partei für die Erlangung der Ueberzeugung von der 
Wahrheit oder Unwahrheit einer Thatsache für erheblich erachtet, von dieser 
Partei einen Eid in der Form des Ueberzeugungseides zu fordern. Die 
Gründe für die Beschränkung der Ignoranz= und Glaubenseide treffen nur 
die Eideszuschiebung (vgl. nordd. Prot. II S. 1031). 
„Dem richterlichen Eide gegenüber tritt die Eidesdelation zurück. Mag 
der zugeschobene Eid angenommen oder zurückgeschoben sein — 
in keinem 
dieser Fälle ist der Richter gehindert, von der ihm durch den §. 419 er 
theilten Befugniß Gebrauch zu machen." 
1) In der Justizkommission wurde in erster und zweiter Lesung be 
schlossen, dem §. 419 des Entwurfs folgenden Zusatz zu geben: 
„Von dieser Befugniß darf erst dann Gebrauch gemacht werden, 
wenn sich die Beweisaufnahme auf die übrigen zulässigen Beweis 
mittel mit Ausnahme des zugeschobenen Eides erstreckt hat". 
Dem gegenüber beschloß der Bundesrath, an der Fassung des Entwurfs 
festzuhalten. Es wurde hierauf in der Justizkommission der Kompromiß 
vorschlag gemacht, den Kommissionsbeschluß dahin abzuändern, daß man 
anstatt „zulässigen" setze „erheblichen" und nach „Ausnahme" einschaltete: 
„der im §. 345 (des Entw. = §. 358 CPO.) erwähnten Zeugen, so 
wie". Man hob aus der Mitte der Kommission wiederholt hervor, daß 
die Fassung des Entwurfs gleichbedeutend sei mit Etablirung der richter 
lichen Willkür (Abg. Dr. Bähr), daß durch dieses System die Parteien 
rechte auf den Kopf gestellt würden (Abg. Reichensperger), daß man 
bedenken müsse, daß bei den Gerichten nicht selten die Sehnsucht herrsche, 
die Sache übers Knie zu brechen, und daß es gleichgiltig sei, ob dieß aus 
Gewissenlosigkeit oder bona fide geschehe (Abg. Reichensperger), daß 
man bequeme Richter nicht in Versuchung führen dürfe (Abg. Struck 
mann); allein die Regierungen hielten allen diesen Bedenken gegenüber 
an der Anschauung fest, daß eine Aenderung des Entwurfs mit dem bereits 
adoptirten Prinzip der freien Beweiswürdigung (§. 259) in Widerspruch 
gerathen würde. So gab denn die Kommission zuletzt nach und ließ den
	        
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