Full text: ¬Die Agrarfrage der Gegenwart (2)

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politische Ansehen des Adels in den Augen der Land 
bevölkerung noch mehr zusammen, der Bauer wurde 
frei und erhob sich politisch auf dieselbe Stufe wie 
der Adel. Daher meinten die Grafen Sainsheim 
und Moy auf dem bayerischen Landtage (1840), die 
Ablösung möge wirthschaftlich großen Nutzen bringen, 
politisch aber habe sie den Nachtheil, „die persön 
liche Wechselbeziehung von Gnade und Ergebenheit“ 
durch ein bloses Rechnungsverhältniß zu ersetzen. 
Anderseits konnte man das Schwergewicht der 
geschichtlich, social, volkswirthschaftlich und politisch 
berechtigten Gründe, welche für die Befreiung des 
Landvolks und seiner Ländereien sprachen, unmöglich 
abweisen. Auch sein eigenes Interesse wies, 
wie die Dinge einmal geworden waren, 
den Adel auf die Grundentlastung hin, denn seine 
Lage war von dem Augenblick an unhaltbar ge 
worden, in welchem der städtische Liberalis 
mus sich des Bauern annahm. Diesen beiden 
Gegnern war der Adel nicht gewachsen, denn sie 
drangen mit der Waffe des Stimmrechts und der 
Kopfzahl auf ihn ein und diese Waffe war ihnen 
nach Lage der Dinge auf die Dauer nicht vorzuent 
halten. Die Grundentlastung aber schuf aus 
den Gegnern wieder Freunde, Adel und 
Bauer erhielten jetzt das gleiche Interesse 
gegenüber dem capitalistischen Liberalismus und da 
mit erwuchs dem Adel ein Bundesgenosse, 
wie er sich stärker und zäher gar nicht 
finden kann: ein freier Bauernstand. 
Mit Aufhebung der Hörigkeit und der Feudaldienste 
erhielt nämlich der Adel wieder seine natürliche 
sociale Stellung als Führer des Volkes in 
Vertretung seiner politischen, wirthschaftlichen, intel 
lectuellen und sittlichen Interessen. Die Nothwendig 
keit, solche Führer zu besitzen, welche in Krieg und 
Frieden die öffentlichen Aemter im weitesten Sinne 
des Wortes verwalten, diese Nothwendigkeit hatte 
gleichzeitig mit der Bildung des Privateigenthums an 
Grund und Boden den Adel hervorgerufen (wie wir
	        
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