Full text: ¬Die Agrarfrage der Gegenwart (2)

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geringen Verbreitung der Einrichtung ist ihre Wirkung 
aber im Verhältniß zu der großen Creditnoth 
der Landwirtschaft gering. Ungebrochen capitalistisch 
ist aber immer noch das Realcreditwesen der 
Landwirthschaft. Es ruht auf der römisch 
rechtlichen kündbaren Hypothek mit der Ver 
pflichtung der Baarheimzahlung des Capitals. Wir 
haben schon gesehen und werden noch weiter sehen, 
noch 20 Minuten bis zur Beendigung des Termins erübrigten 
und in dieser Zeit auch selbst der schnellste Läufer und die 
schnellste Droschke nicht im Stande gewesen wäre, die gewünschte 
Aufgabe zu erfüllen. Diese beschränkten Termine sind ja ein 
Hauptvortheil für den Capitalismus. Wolff ging dennoch fort, 
um das Gewünschte herbeizuschaffen, als er zurückkehrte, hatte 
die Preußische Immobilienbank bereits unbeanstandet das 
Grundstück für 1000 Mk erstanden. Der Subhastat ist also 
um etwa 100,000 Mk. geschädigt worden, da wohl anzunehmen, 
daß bei gegenseitigem Gebot dieser Preis erzielt worden wäre. 
Die preußische Regierung hat im Herbst 1882 dem 
Landtage den Entwurf eines neuen Subhastationsgesetzes vor 
gelegt. Derselbe enthält die Bestimmung, daß kein Zwangs 
verkauf stattfinden kann, wenn nicht die dem Antragsteller 
vorausgehenden Gläubiger befriedigt werden. Es sollen 
also fernerhin Grundstücke im Subhastationswege nicht mehr 
einfach dem „Meistbietenden“ zugeschlagen werden, sondern 
nur dann, wenn alle Forderungen, die derjenigen des 
Antragstellers vorgehen, durch das Meistgebot gedeckt werden. 
Ferner hat der Ersteher nur den Betrag des Kauspreises, der 
die geschützten Capitalien übersteigt, baar zu zahlen. Auch die 
Bestimmung soll beseitigt werden, nach welcher durch das 
Subhastationsverfahren an sich sämmtliche Hypothekenschulden 
beim Verkauf fällig werden. Man will überhaupt die speculative 
Verschleuderung des Grundbesitzes damit beschränken. Die Vor 
lage hat manches Gute. Am 6. Februar 1883 berieth das 
Abgeordnetenhaus darüber. Graf v. Bismarck tadelte hiebei 
besonders, daß nach wie vor durch die Subhastation der 
Schuldner von Haus und Hof gejagt werde. Das sei nicht 
vereinbar mit der christlichen Nächstenliebe. Während bei 
Pfändungen in Mobilien dem Schuldner die nothwendigsten 
Handwerks= und Hausgeräthe, die Dinge, die er zu seinem 
weiteren Fortkommen bedarf, verbleiben müssen, werden 
dem Bauer durch die Subhastation die Grund 
lagen seiner weiteren Existenz vällig entzogen. 
Die Civilproceßordnung enthält allerdings auch die 
Bestimmung, daß den Personen, welche Landwirthschaft 
betreiben, das zum Wirthschaftsbetriebe unentbehrliche Geräth,
	        
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