Full text: ¬Die Agrarfrage der Gegenwart (2)

humaner Weise beansprucht wurden; sein Verhältniß 
trieb unter dem Einfluß der Kirche und ihren ein 
dringlichen Lehren von der Arbeit, der menschlichen 
Würde und Bestimmung allmälig der vollen 
Befreiung entgegen. Jetzt wurde er leib 
eigen, an die Scholle gebunden, oder auch oft zum 
bloßen Zeitpächter herabgedrückt, den der Grund 
herr beliebig, wo es ihm Vortheil brachte, aus dem 
Besitze warf. 
*) Es war ein mehr oder weniger vollständiger 
Rückfall der ackerbauenden Bevölkerung in die 
antik-heidnische Sclaverei (servitus) und die spät 
römische Hörigkeit (glebae adscriptio) 
Als Beispiel wie der Bauer sich noch zu Anfang unseres 
Jahrhunderts befand, greifen wir die bayerischen Zu 
stände, die überdies lange nicht die schlimmsten waren, 
heraus. Der bayerische Oberappellationsrath Welsch, in 
seinem Buche „Ueber Stetigung (das heißt Fixirung) und 
Ablösung der bäuerlichen Grundlasten mit be 
sonderer Rücksicht auf Bayern, Württemberg, Baden, Hessen, 
Preußen und Oesterreich (Landshut 1848)“ sagt hierüber: Bis 
zur bayerischen Verfassungsurkunde (1818) galt das maxi 
milianische Landrecht. „Schon im 2. Theile dieses Gesetzbuches 
sind dem Zehentrechte, und den Frohn= und Scharwerksdiensten, 
eigene lange Capitel (X. und XI.) gewidmet. Das Capitel des 
4. Theiles handelt in 35 Paragraphen vom getheilten 
Eigenthum (Contractu emphiteutico), namentlich dem 
Erbrechte, Leibgeding, Neustift, Herrngunst, oder veranleiteter 
Freistift, und andern ähnlichen Verträgen, wozu namentlich die 
Beutellehen gehörten; (Th. 4, Cap. 18) in welchem überall 
das Obereigenthum nicht nur, sondern beinahe das aus 
schließende Eigenthum der Personen und des 
Grundes dem Ober=, Grund= und meistens auch Gerichts 
herrn, dem Grundunterthan dagegen nur ein sehr be 
schränktes, höchst belastetes Nutzungs= und Be 
sitzesrecht zustund, welches noch überdieß durch die herr 
schaftlichen Verwalter, Amts= und Gerichtsdiener, früher 
Schergen genannt, dermaßen verkümmert wurde, daß wahrhaft 
manches arme Bäuerlein schlimmer daran war, als ein römischer 
Sclave, dem sein Herr doch Kleidung und Lebensunterhalt ge 
währen mußte. 
„Zählen wir nun die Lasten und Reichnisse auf, welche 
diese Gesetzgebung dem Besitzer solcher Bauerngüter und Gütchen 
überbürdet, so gewähren sie wahrhaft ein erschreckendes Bild. 
An der Spitze steht wohl die Leibeigenschaft, die per 
sönliche sowohl als die dingliche, die der römischen
	        
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